Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Tiefe einer Seele

Die Tiefe einer Seele

Titel: Die Tiefe einer Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Dakota
Vom Netzwerk:
würde sie schon zu packen kriegen. Irgendwann!
    Zielstrebig steuerte die junge Frau auf ein Lokal mit dem urigen Namen »Tränke« zu. Es war nicht viel los in der Kneipe, und die beiden ließen sich an einem kleinen Tisch in einer spärlich beleuchteten Ecke nieder. James winkte eine Kellnerin heran und bestellte zwei Bier, was Amelie offensichtlich amüsierte.
    »Was gibt es zu lachen?«, knurrte der Amerikaner gereizt.
    »Nichts! Ich freue mich nur, dass Sie mich zu diesem 'Umtrunk' eingeladen haben.«
    Sie machte sich über ihn lustig, diese freche Göre, aber er beschloss, das einfach zu ignorieren. »Also gut! Worüber wollen wir reden?«, fragte er stattdessen.
    Amelie lehnte sich zurück und verschränkte ihre Arme vor den Oberkörper. »Sie wollten mir doch erzählen, was Sie in Deutschland machen«, griff sie den Faden ihrer früheren Unterhaltung auf.
    James Augen leuchteten, denn wenn er eines gern tat, dann war es von seiner Arbeit zu berichten, nein, man musste in dem Fall wohl eher von schwärmen sprechen. »Oh, ja gut. Wenn Sie das interessiert! Also ich recherchiere zurzeit für einen Reiseführer zum Thema Nationalsozialismus in Deutschland. Ziel ist es, auf Orte hinzuweisen oder sie wiederzuentdecken, an denen die Nazis deutliche oder weniger deutliche Spuren hinterlassen haben.«
    Amelie runzelte die Stirn. »Wozu soll das gut sein? Will man jetzt auch noch daran verdienen? Das ruft doch nur fiese, gestiefelte Glatzköpfe auf den Plan und am Ende entsteht wohlmöglich so etwas wie ein Tourismus der Rechtsradikalen. Schrecklicher Gedanke!« Sie wirkte deutlich verärgert.
    James schüttelte abwehrend den Kopf. »Wenn Sie mich mal ausreden lassen würden, junge Dame, dann wüssten Sie, dass mir genau am Gegenteil gelegen ist«, widersprach er scharf. »Ich möchte versuchen, die Geschichte des Nationalsozialismus‘ greifbarer zu machen, die Schrecken dieser Zeit zu vergegenwärtigen und sie so vielleicht ein wenig in das Gedächtnis des Reisenden einzubrennen. Dazu besuche ich die Orte, wo dieses Grauen angefangen hat, fahre dahin, wo das Zentrum der Macht war, aber auch der große Niedergang am ehesten sichtbar wurde. Gleichermaßen beabsichtige ich aufzuzeigen, wo die Bewegung auf dem Lande und in kleineren Städten gegriffen hat. Letztendlich sollen ebenso die Lager und Vernichtungsstätten thematisiert werden. All das plane ich, mit Worten zu beschreiben, die keinen Zweifel daran lassen, dass das, was damals geschehen ist, von Grund auf falsch und menschenverachtend war. Und dass man unter allen Umständen verhindern muss, dass es erneut geschieht.«
    Die Falten auf der Stirn der Rothaarigen vertieften sich weiter. »Mmm, mag ja überaus ehrenwert sein, Mr. Prescott, jedoch finde ich es mit Verlaub ein wenig anmaßend, wenn ein Amerikaner in unser Land kommt, um uns unsere Geschichte zu erklären.«
    »Berechtigter Einwand, Amelie! Aber zum einen sind die Ereignisse von damals etwas, was auch den Rest der Welt betroffen hat und immer noch betrifft, und außerdem bin ich zur Hälfte Deutscher, schon vergessen?« Er zwinkerte ihr zu und nahm dadurch ein bisschen die Anspannung aus der Unterhaltung.
    Amelie nippte an ihrem Bier, das die Kellnerin zwischenzeitlich gebracht hatte. »Fein, Mr. Prescott. Nachdem Sie sich also selbst für den Job legitimiert haben, schießen Sie mal los. Wo sind Sie bereits gewesen? Wie sieht Ihr Plan aus? Möglicherweise kann ich Ihnen ja behilflich sein.«
    James verdrehte innerlich die Augen. Na das hatte ihm gerade noch gefehlt. Eine besserwisserische Studentin, die ihm in sein Handwerk reden wollte. Am liebsten hätte er sofort das Thema gewechselt, aber wieder einmal war ihm seine gute Erziehung im Wege. Also begann er stockend, von seinem Besuch in München zu erzählen. Dort hatte er das Hofbräuhaus besucht. Nicht, um sich wie die endlosen Scharen von Touristen eine Maß Bier einzuverleiben, sondern weil hier 1920 eine erste Versammlung der braunen Gesellen stattgefunden hatte, was später als Gründungsereignis der NS-Bewegung angesehen wurde. Er hatte die einstige Wohnung Adolf Hitlers am Prinzregentenplatz besichtigt, genauso wie die ehemalige Reichshauptgeschäftsstelle der NSDAP in der Nähe des Königsplatzes, die bezeichnenderweise den offiziellen Namen »Braunes Haus« getragen hatte. Ab und an unterbrach Amelie seine Ausführungen und verblüffte ihn mit detailliertem Hintergrundwissen. Sicher, sie studierte Geschichte, aber er hatte nicht erwartet,

Weitere Kostenlose Bücher