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Die Tiefe einer Seele

Die Tiefe einer Seele

Titel: Die Tiefe einer Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Dakota
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er hatte schuld daran. Einen winzigen Moment lang hatte auch er damals daran gedacht, seinem Leben ein Ende zu setzen. Jedoch war es wirklich nur ein kurzer Augenblick gewesen. Ein James Prescott machte sich nicht feige aus dem Staub. Er stutzte. Hatte er etwa diese Meinung von Amy? Dass sie sich feige aus dem Staub hatte machen wollen? Genau das hatte er doch gedacht, als er ihr vorgeworfen hatte, sie hätte bei ihrer Tat nicht an ihre Eltern gedacht. Das war am Anfang ihrer Bekanntschaft gewesen. Als er noch nicht wirklich verstanden hatte. Nicht diese Melancholie bemerkt hatte, die sie in manchen Momenten umfing wie ein viel zu schweres Parfum. Amelie war verletzt worden. So sehr, dass sie es hatte nicht mehr aushalten können. Das, was sie getan hatte, war zwar dumm gewesen, aber bestimmt nicht feige. Nichtsdestotrotz verspürte er deswegen eine Wut. Er war wütend auf Amy, dass sie sich nicht genug dagegengestemmt hatte. Wütend auf die Menschen in ihrem Umfeld, dass sie die Warnsignale, die mit Sicherheit da gewesen waren, nicht wahrgenommen hatten. Und ganz besonders wütend war er auf diesen Kerl, der diesen Suizidversuch verursacht hatte. Was hatte diese Ratte ihr nur angetan? James öffnete die Augen und bemerkte, dass er seine Hände zu Fäusten geballt hatte. Es war unverständlich für ihn, wie man einem so zarten und hübschen Mädchen, einem Wesen voller Tiefgang und Intelligenz so weh tun konnte.
    Das wird Dir mit mir nicht passieren, Amy! Ganz bestimmt nicht! Du musst mir einfach vertrauen!
    Er kräuselte die Stirn. Genau das war der Punkt. Wenn er mehr von ihr wollte, und dessen war er sich mittlerweile ganz sicher, dann bedeutete das nicht nur, dass sie lernen musste, ihm zu vertrauen. Nein, auch für ihn galt das im umgekehrten Fall. Er würde ihr von Liam erzählen müssen. Von damals, als das Unfassbare geschehen war und welche Konsequenzen er daraus gezogen hatte. Als sie ihn in dieser Ausstellung gefragt hatte, ob ihn etwas belaste, da war er zu einer Antwort nicht bereit gewesen. Sie hatte in seine Seele blicken wollen, und er hatte ihr das verweigert. Wenn das mit ihnen aber eine Chance haben sollte, durfte er nicht länger mauern, und im Gegenzug würde sie dann vielleicht auch über die dunkle Phase ihres Lebens sprechen können. Möglicherweise könnten sie ihre Probleme gemeinsam meistern.
    Er seufzte. Sie fehlte ihm. Schon jetzt. So sehr, dass das Atmen ihm schwerfiel. Das veranlasste ihn, über sich selbst zu schmunzeln. Vom ersten Moment war er von diesem Mädchen fasziniert gewesen. Von ihrer großen Klappe, ihrer Eigenwilligkeit, ihrer Schönheit. Als er dann auch noch erfahren hatte, was sie durchgemacht hatte, da war es vollends um ihn geschehen, das wusste er jetzt. Anfangs hatte er es nicht wahrhaben wollen, hatte es abgestritten und als einen absurden Gedanken hingestellt. Nicht nur sich selbst gegenüber. Er musste an das Telefonat mit seinem Bruder Bill denken. Der hatte doch sofort Lunte gerochen. Und bediente damit so nebenbei zum wiederholten Male ein Klischee, nämlich dass schwule Männer sensibler sind als die ab und an gefühlsstumpfen Heteros. Bill hatte recht gehabt. James wollte etwas von Amelie. Er wollte, dass sie bei ihm war. Wollte ihr tagtäglich dabei zusehen, wie sie Tonnen von Nahrungsmittel in sich hineinstopfte, ohne ein einziges Gramm zuzunehmen. Wollte ihren Ausführungen über deutsche Geschichte lauschen, sich von ihr beschimpfen, an- oder auslachen lassen. Er wollte sehen, wie ihre rote Mähne im Wind flatterte, und wie sie sich auf die Fußspitzen stellen musste, weil sie ein ganz bestimmtes Buch aus dem obersten Fach eines Regals haben wollte. Er wollte sie wärmen in der Nacht und am Tage mit ihr die Welt erkunden. Wollte für alle Zeiten die Ursache dafür sein, dass sie errötete und verlegen den Blick senkte. Aber vor allem und in erster Linie wollte er sie beschützen. Vor den bösen Menschen da draußen und ein kleines bisschen auch vor sich selbst. Damit das, was passiert war, sich niemals wiederholen würde. Und weil er all das wollte, fühlte er sich das erste Mal seit sieben Jahren wieder lebendig. Hatte nicht einmal ein schlechtes Gewissen deswegen, was ihn verblüffte, aber auch beruhigte.
    »Ich bin nicht gut für Dich!«
    Ach Amy, wenn Du nur wüsstest, WIE gut Du für mich bist!
    Mit diesem Gedanken rollte er sich in seinem Sitz zusammen und fiel in einen wohltuenden, tiefen Schlaf.
     
    Drei Stunden später stand James am Gepäckband

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