Die Tiefe einer Seele
und stellte den Motor ab. »Jaja, mach Dich nur lustig über Deine fette Schwester«, erwiderte sie beleidigt. »Du weißt ja auch nicht, wie schrecklich es ist, immer Hunger leiden zu müssen.«
James winkte ab. »Nun hör schon auf, Erin! Du musst nicht Hunger leiden, wenn Du es nicht willst, und Dir sollte klar sein, dass wie Dich sehr lieb haben. So wie Du bist! Und wir hängen an jedem einzelnen Gramm von Dir!«
Die junge Frau zuckte mit den Schultern. »Das lässt sich leicht sagen, wenn man selbst den Körper einer griechischen Gottheit sein Eigen nennt und diese ach so menschlichen Probleme nur aus dem Fernsehen und aus Frauenzeitschriften kennt.«
James legte den Kopf in den Nacken und lachte laut auf. »Sorry, Schatz, aber Frauenzeitschriften lese ich nicht, da musst Du mich mit Bill verwechseln und was Deine menschlichen Probleme betrifft, so habe ich Dir schon oft genug gesagt, dass Sport der Schlüssel zum Erfolg ist.«
Seiner Schwester stand das Entsetzen ins Gesicht geschrieben. »Sport? Nein danke, Bruderherz! Wenn ich mich umbringen will, gibt es auch angenehmere Wege.«
»Erin, darüber macht man keine Späße«, fuhr James sie scharf an. Die junge Frau zuckte zusammen und suchte irritiert seinen Blick.
»Hey, kein Grund, laut zu werden«, verteidigte sie sich, doch dann dämmerte es ihr. »Es ist das Mädchen, nicht wahr?«, sagte sie leise. »Bill hat mir gesagt, dass Du jemanden kennen gelernt hast.«
James verdrehte die Augen im Kopf. Diese Familie besaß die Diskretion einer Boulevardzeitung, es war zum Verzweifeln. »Gib Dir keine Mühe, Erin Prescott!«, stieß er angespannt hervor. »Ich werde Dir nichts über sie erzählen, dazu ist es noch zu früh.«
»Noch zu früh?« Die junge Frau schaute James erst nachdenklich, dann mit strahlendem Gesicht an. »Dass ich das noch erleben darf«, jubelte sie. »Mein Bruder hat sich wieder verliebt. Endlich! Das sind doch mal wirklich gute Neuigkeiten.«
»Und Du?«, knurrte James ungehalten. »Wie man hört, soll es da einen Professor geben, für den Dein Herz schlägt? Donovan O’Dingsdabumsta, oder so? Das hat Bill auf Cape Cod nämlich MIR gesteckt.«
Erin errötete in rasender Geschwindigkeit. Damit hatte sie nicht gerechnet. »Äääh, da muss Bill etwas missverstanden haben, außerdem versuchst Du nur vom Thema abzulenken, großer Bruder. Also, was ist mit dieser Frau?«
James vergrub das Gesicht in den Händen. Womit hatte er das nur verdient? Am liebsten hätte er sein Gepäck genommen und wäre zurück zum Flughafen gerannt. Bloß weg, so schnell es ging. Doch dann erinnerte er sich schlagartig daran, warum er eigentlich hier war. Er legte die Hände wieder in den Schoß.
»Darüber reden wir ein anderes Mal, Kleine!«, meinte er nachsichtig. »Und jetzt sag mir endlich, weswegen ich so dringend herkommen sollte, wenn es schon nicht wegen Dad ist.«
Erin seufzte. »Es ist doch aber wegen Dad. Weißt Du, er hatte sich tierisch aufgeregt, als er das von Anabel und Ruben erfahren hat. Er hatte eine Herzattacke, und Mom hat das Schlimmste befürchtet. Dann ist er ins Krankenhaus gekommen, und wenige Stunden später war er auf einmal die Ruhe selbst und völlig ausgeglichen.«
»Weil sie ihm was gegeben hatten?«
»Ja, das auch, aber in erster Linie wohl deswegen, weil er eine Entscheidung getroffen hat. Eine, die ihm nach seinen eigenen Worten eine schwere Last genommen hat.«
»Eine Entscheidung? Herr im Himmel, Erin, spuck es endlich aus, was für eine Entscheidung?«
Seine Schwester holte tief Luft, so, als wenn sie ihren ganzen Mut zusammennehmen müsste.
»James, er hat sich entschlossen, Prescott Publishing zu verkaufen!«
Ihrem Bruder entgleisten sämtliche Gesichtszüge.
Er hat bitte was? Ja, ist der alte Herr denn jetzt von allen guten Geistern verlassen?
Kapitel 21
16. Mai 2013 – Spiekeroog
»Geht es Dir gut, mein Schatz?«
»Fragte die Mutter ihre selbstmordgefährdete Tochter!«
»Amelie, bitte! Ich mag es überhaupt nicht, wenn Du so zynisch daher redest.« Magda Johannson stand in der Küche des kleinen Friesenhäuschens und bereitete gerade einen Tee zu. Aus frischen Pfefferminzblättern, so, wie ihn Amelie am liebsten mochte. Doch momentan hätte sie ihr eben diese Minzblätter liebend gerne um die Ohren gehauen, doch sie schluckte ihre Wut herunter, senkte den Kopf und konzentrierte sich wieder auf ihre Arbeit.
Amelie blieb der Ärger ihrer Mutter jedoch nicht verborgen.
Verflixt! Warum
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