Die Tochter Der Goldzeit
wuchs in ihnen der Entschluss, sich zur Wehr zu setzen. Dass die Anderen sich nicht an der Zeitfuge sehen ließen, bestärkte Grittana in diesem Entschluss. Das Schicksal Tikanums stand ihr warnend vor Augen.
Die Meisterin und ihre Begleiter trieben die Böcke über den Wildpfad den Hang hinunter. Der Steilhang über dem Flusstal war ihr Ziel. Fast geräuschlos huschten die Waldläuferinnen durchs Unterholz. Der Schneefall ließ nach. Nur wenige kleinere weiße Felder hatten sich im Unterholz gebildet. Doch bald würde es wieder schneien, und spätestens morgen Abend würde eine geschlossene weiße Decke das Unterholz verhüllen. Dann konnte keiner mehr hier entlang reiten oder laufen, ohne seine Spuren zu hinterlassen.
Am Steilhang warteten zwei weitere Katafrakte und eine Gruppe aus zwölf Jägern und Spähern. Grittana und Friedjan stiegen aus den Sätteln. Gefolgt von zwei Jägern und drei Waldläuferinnen, arbeiteten sie sich durch das Unterholz bis zu dem kleinen Plateau, neben dem der Gebirgsbach sich hinunter ins Flusstal stürzte. Von hier aus konnte man einen langen Teil des Tals überblicken.
Der Fluss hundertzwanzig Meter tiefer plätscherte als Rinnsal da-hin. Er führte nicht einmal ein Zehntel der Wassermenge, die sonst hier zum See hin floss. Bisher war es den Fremden noch nicht aufgefallen; dabei hätten sie es leicht an den alten Uferrändern erkennen können.
Auf der anderen Seite des Flusstals lauerten Friesen, Honnis und etwa zwanzig Jäger, Späher und Waldläufer. Zum Teil waren die Hänge weniger steil dort drüben. Aus den Bäumen aber ragte eine Felswand, die an einer Stelle fast bis zum Flussufer abfiel. Oben, auf den Steinen an ihrer Kante, sah Grittana einen Weißhaarigen sitzen.
Linderau.
Es ging ihm besser, seit der Herbst zu Ende war. Der ehemalige Ratsälteste wollte die Feinde sehen, die seine Tochter gequält und wohl auch getötet hatten. Niemand hatte dem gebrochenen Mann die Teilnahme am Kampf verbieten wollen.
Friedjan klappte sein Visier hoch. Durch ein Binocular spähte er flussabwärts zum See. Die Flussmündung lag nur wenige Kilometer entfernt. Auch Grittana setzte ein Doppelglas an die Augen. Man sah den See nicht wirklich, ahnte ihn nur unter dem Stück Himmel, das man vom Wasserfall aus zwischen den Berghängen erkennen konnte.
Seit sie gemerkt hatten, dass es in der Ruinenstadt an der Mündung kein Tor in eine Erdstadt gab, durchsuchten die Kriegsrotten des Eisernen die Wälder, Täler und Hänge. Sie taten es geordnet und zielgerichtet. Hunderte von Kriegern bildeten lange Ketten, in denen nicht mehr als drei Schritte einen Mann von dem Mann daneben trennten. Seit Winterbeginn durchforsteten sie auf diese Weise Waldhang um Waldhang, Wiese um Wiese, Uferböschung um Uferböschung, und nun auch das Flusstal.
Heute würde ihre Suchkette unterhalb des kleinen Wasserfalls vorbeistreifen. Es würde nicht schwer sein, die weit auseinandergezogene Kette anzugreifen. Zumal wenn die feindlichen Krieger in Panik zu fliehen versuchten; und genau das würden sie tun, wenn das Wasser kam.
Zwei Kilometer flussaufwärts hatte die Sozietät einen uralten Staudamm instand gesetzt, schon viele Winter zuvor. Am Tag, nachdem Weronius' Botschaft die Meisterin erreichte, hatten sie den Damm geschlossen. Heute würden die Wassermassen das Tal herunterdonnern.
Grittana setzte das Binocular ab. »Sie kommen. In einer Stunde dürften sie hier sein.«
Friedjan nickte; auch er hatte die Männer der Suchkette gesehen.
»Wenn ich den Donner des Bombersters höre, mache ich mich auf den Weg zum Bergwerk.«
Wieder nickte Friedjan. Jedem war klar, dass heute verbotene Waffen eingesetzt würden. Eine der bis vor kurzem unvorstellbaren Situationen war eingetreten, für die das Gesetz von Altbergen ihren Einsatz erlaubte.
Grittana umarmte Friedjan. »Leb wohl, und viel Glück!« Jeden umarmte sie und wünschte ihm Glück. Danach stieg sie in den Sattel und lenkte ihren Bock das Flusstal hinauf.
Auf dem alten Staudamm überquerte sie später das Tal. Sie blickte hinunter in das dunkle Wasser. Ihr graute bei der Vorstellung, dass seine Massen bald ins Tal hinunter branden und zahllose Menschen töten würden. Zugleich bedauerte sie, dass man den Damm überhaupt zerstören musste. Über so viele Winter hatte die Sozietät einen großen Teil ihres Fischbedarfs aus dem Stausee gedeckt.
Sicher sollte der Angriff heute die Kriegsrotten des Eisernen schwächen und möglichst vertreiben. In erster
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