Die Tochter Der Goldzeit
vor.
»Du bist noch nie ein Menschenfreund gewesen, nicht wahr, Sakrydor?«
»Bin zu weit herumgekommen, Sentuya, weißt doch«, krächzt es aus dem Ruderhaus. »»Menschenfreunde« Die Stimme kichert höhnisch. »Hab zu viel gesehen, weißt du? Werd nie einer werden, Sentuya. Versenken wir sie also. Siehst du sie jetzt?«
»Nein.« Die Frau auf dem Ruderhaus steht auf und blickt nach Osten. Die Männer im Ruderboot applaudieren und grölen. »Noch nicht.«
»Hat sich's anders überlegt, sag ich's nicht?«
Zwischen dem unteren Rand des Sonnenballs und dem östlichen Seehorizont taucht ein dunkler Fleck auf. Ein Segel? Das Vogelpaar im Himmel über der Sonne kommt näher. Ohne Eile bewegt es die weiten Schwingen.
Irgendwo unter dem Heck des Schiffswracks plätschert und gurgelt es, als wolle ein großer Fisch auftauchen. Einen Atemzug später beginnt das Wrack zu schaukeln, und als die Frau auf dem Dach des Ruderhauses den Kopf wendet, sieht sie einen Mann auf der Heckreling sitzen. Groß, drahtig und breitschultrig ist er, silbrige Schuppen bedecken seinen Körper, und von seinem schuppigen Schädel ragt drei Handbreit hoch ein Scheitelflossenkamm auf. Der Silberschuppenmann hebt die Rechte, Schwimmhäute spannen sich zwischen seinen langen Fingern; er stößt einen heiseren Ruf aus.
Auf einmal wogt das Wasser unter ihm und zwischen dem großen Ruderboot und den Wracks. Es schäumt und es brodelt, und Blasen steigen an die Oberfläche. Schuppenkämme tauchen auf, schuppige Schädel und Schultern. Schuppige Körper schwimmen im Wasser, grün, türkisfarben, rötlich und blau. Einige schießen aus dem See wie springende Fische, ziehen Schleppen aus Wasser und Schaum hinter sich her. Lange, durch transparente Schwimmhäute verbundene Klauen spreizen sich, klammern sich an Leitersprossen, Relinggeländern, ausgefransten Tauen und rostigen Ankerketten fest. Neun, zehn oder elf schuppige Gestalten klettern an Bord von drei Wracks. Noch einmal genauso viele oder mehr schwimmen dem Ru-derboot entgegen. Sie treiben eine große Welle vor sich her.
Auf dem Ruderboot winkt und applaudiert jetzt keiner mehr. Schlagartig sind die Männer verstummt. Wie festgefroren hocken sie auf den Bänken, stehen am Bug. Keiner rudert mehr, keiner hat mehr Augen für die Rothaarige auf dem Ruderhausdach. Alle starren nur die schuppigen Wesen auf den benachbarten Wracks an.
Die beiden, die am Bug stehen, bemerken endlich die heranrollende Welle und die Schuppenkämme, die dahinter das Wasser durchschneiden. Beide zugleich schreien auf, fangen wild an zu gestikulieren, und im nächsten Moment rufen alle im Boot. Eine einzige Bewegung geht durch die Männer in den Ruderbänken. Sie strecken sich, legen sich schier auf den Rücken, reißen an den Riemen, schnellen hoch, nehmen Schwung, versuchen das Boot zu wenden.
Die Welle vor den Schädelschuppenkämmen schwillt an, rollt dem schaukelnden Boot entgegen. Schon wächst sie, wächst ohne ersichtlichen Grund, bäumt sich auf. Hoch wie ein Haus ist sie jetzt, schlägt gegen das Boot, erfasst seine Breitseite. Vergeblich versuchen die Männer, es zu wenden. Die Welle wirft es um.
Die Männer versinken im Wasser, tauchen auf, schreien in Todesnot, versuchen zu ihrem kieloben treibenden Boot zu schwimmen. Viele erreichen es schnell wieder, klammern sich daran fest, versuchen es umzudrehen. Die blauen, türkisfarbenen und grünen Schuppenkämme aber tauchen einer nach dem anderen unter. Und dann scheint das Wasser rund um das gekenterte Boot zu kochen. Die Finger eines Mannes rutschen vom Bootsrumpf ab, sein Kopf, seine Arme, seine Hände verschwinden im Wasser. Der nächste rutscht ab und geht unter, dann wieder einer und noch einer. Das Geschrei ebbt ab. Endlich gelingt es den noch lebenden Männern, das Boot wieder umzudrehen. Fünf oder sechs schaffen es, sich an Bord zu retten. Alle anderen werden in die Tiefe gezogen, tauchen nicht wieder auf.
»So geht das«, krächzt die Stimme aus dem Ruderhaus. »Mal sind sie übermütig und gierig und können den Schlund nicht voll kriegen, mal schreien sie vor Angst und gehen unter - so geht das. Was für ein langweiliges Pack!«
»Wann wird man dir verbieten, durch die Zeiten und Welten der Menschen zu streifen, Sakrydor?« Die Frau auf dem Ruderhausdach seufzt. Gleichmütig beobachtet sie, wie die überlebenden Männer Ruderstangen und Werkzeug aus dem Wasser fischen. Wind kommt auf und hebt den Saum ihres Kleides ein wenig. Ihr rechter Fuß
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