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Die Tochter Der Goldzeit

Die Tochter Der Goldzeit

Titel: Die Tochter Der Goldzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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lange Fahrt!«
    Gemurmel und Geraune erhebt sich auf einmal. Von allen Wracks tönt es, und überall sitzen und stehen und kauern sie plötzlich - Gestalten wie aus Fieberträumen, Wesen wie aus nächtlichen Erscheinungen: große und kleine, pelzige und glatthäutige, behörnte und vogelköpfige, düstere und lichtartige, geflügelte und gepanzerte; solche Wesen, die Menschen ähneln, und solche, die Tieren gleichen, und solche schließlich, die an nichts erinnern, was menschliche Augen je gesehen haben, die aus fremden, ungeheuren Welten zu stammen scheinen. Alle blicken sie dem Segler hinterher. Der entfernt sich im stärker werdenden Ostwind rasch nach Westen und segelt dem Großen Strom entgegen.

Kapitel 2
    Das Stromufer glitt vorüber - Waldhänge, Lichtungen, Felsen, Ruinen, Flussmündungen, Schilf. Manchmal blickte Katanja zurück. Stunden her, dass Weronius den Zweimaster durch die Bergschneise aus dem Großen See in den Strom gesteuert hatte. Und noch immer glaubte sie, den See am östlichen Horizont zu sehen.
    Weronius im Ruderhaus und Janner in der Takelage sprachen laut miteinander; manchmal sangen sie, manchmal brachen sie in Gelächter aus. Katanja sang nicht und lachte nicht.
    Gegen Abend erreichten sie den Wasserfall. Weronius steuerte die Polder - so hatte Katanja den Zweimaster getauft - in den alten Kanal. Die Männer stiegen aus und zogen das Schiff an Tauen am Wasserfall vorbei, während Katanja am Steuer stehen musste. Mit Einbruch der Dunkelheit ankerten sie in Ufernähe. Bis ins Morgengrauen lag Katanja wach und lauschte in die Dunkelheit. Jedes Plätschern eines hochspringenden Fisches erschreckte sie, jeder Ruf eines Nachtvogels, jeder Tierschrei. Ihr Körper lag hier in einer Koje der Polder, ihre Seele lebte noch in Altbergen.
    Halb betäubt hatte sie Abschied genommen und dann, nach schlaflosen Nächten, die Schwelle des Tores von Altbergen überschritten. Wie durch Nebelschleier hindurch hatte sie die tränennassen Gesichter der anderen gesehen, wie in Trance ihre Umarmungen und Küsse gespürt. Sie tat, was die Meisterin ihr eingeschärft hatte: Sie ging und blickte nicht zurück. Kein einziges Mal.
    Am Mittag des nächsten Tages erreichten sie die Biegung des Großen Stromes. Breit wie ein See wurde er hier, bevor seine Wassermassen sich weiter nach Norden wälzten. Ruinentürme ragten in Ufernähe aus dem Wasser - Überreste einer Goldzeitstadt. Heerscharen von Hungernden hatten hier einst die Paläste ihrer Herrscher überrannt. Das wusste Katanja von Grittana. Vor vielen Menschenaltern war das geschehen, lange vor der Zeitenwende.
    In dieser Nacht ankerten sie mitten auf dem Strom, denn Janner hatte ein Rudel schwarzer Lupucaniden im Uferwald entdeckt. Weronius übernahm die erste Nachtwache, Katanja die dritte. Murmelnd sprach sie mit Grittana, hin und wieder weinte sie leise. In der Morgendämmerung zog sie sich aus und sprang in den Strom. Sie schwamm um die Polder herum und musste sich an der Ankerkette festhalten, um nicht von der Strömung davongetragen zu werden. Weronius erschien schlaftrunken an der Reling. Er schimpfte, nannte sie leichtfertig und holte ihr ein Handtuch. Katanja kletterte an Bord und wusste endlich mit ihrem ganzen Körper, dass sie aufgebrochen, dass sie wirklich auf dem Weg war.
    Am dritten Tag teilte sich der Strom, mäanderte in zahllosen Armen durch eine Sumpflandschaft. Vom Ruderhaus aus, wo Weronius sie das Steuern lehrte, sah Katanja Flussauenbullen in seichtem Wasser weiden und später ein Rudel Lupucaniden eine Alkerkuh samt ihren beiden Jungen durch eine Bucht jagen. Die Räuber erwischten beide Großhirschkälber, und die Naturtragödie erschütterte Katanja bis ins Mark. Während sie in die vorbeigleitenden Urwälder und Schilfflächen starrte, musste sie an einen Satz der Meisterin denken, den sie nie verstanden hatte: Diese Welt hat uns Menschen nicht nötig. Jetzt begann sie seine Bedeutung zu ahnen.
    Am vierten Tag war der Abschiedsschmerz zu einer erträglichen Glut hinter ihrem Brustbein heruntergebrannt. Ihre Neugier gewann die Oberhand, ihre Abenteuerlust erwachte. Und reiste mit ihrem Lehrer Weronius und dem geliebten Janner nicht ein lebendiges Stück Altbergen mit ihr?
    Der Wasserarm, auf dem sie segelten, vereinigte sich gegen Abend wieder mit anderen zu einem einzigen Strom. Gut zehn Steinwürfe breit war er, als die Dämmerung einsetzte und Janner die Segel raffte. Katanja kam sich vor wie auf einem von grünen Wällen

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