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Die Tochter Der Goldzeit

Die Tochter Der Goldzeit

Titel: Die Tochter Der Goldzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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weichen Boden unter den Fußsohlen, fühlte nicht den kalten Wind im Rücken, sah auch nicht die Blicke der Zeugen rechts und links oberhalb der Senke - seine Welt schrumpfte auf die ihm entgegenstürmende, weißblonde Gestalt zusammen: auf seinen Gegner Runynger. Seine Sinne erfassten das bebende Muskelspiel von Runyngers Schenkeln, Armen und Brust, erfassten den Tanz seines Kehlkopfes, das viel zu trotzig nach vorn geschobene Kinn, den bitteren Zug um die Lippen und die in zwölf einsamen Stunden angestaute Leidenschaft in seinem Blick.
    Wer leidenschaftlich liebt und leidenschaftlich hasst, sehe zu, dass er nicht verbrenne, hatte Jacubs Ziehvater das Buch Dashirins einst zitiert, und intuitiv erkannte Jacub die Schwachstelle seines Gegners.
    »In deinem Haus werd ich sie besteigen«, zischte er, als ihre Klingen sich zum ersten Mal kreuzten und die Funken sprühten. »In deinem Haus werde ich Eyruns neues Fürstengeschlecht zeugen!«
    Runyngers Gesicht verzerrte sich, er schrie seinen Hass hinaus, wich drei Schritte zurück. Dann riss er das Schwert hoch über den Kopf, nahm Anlauf und schlug zum zweiten Mal zu.
    Ein vorhersehbarer Angriff - statt ihn mit der eigenen Klinge zu parieren, sprang Jacub blitzschnell zur Seite. Runyngers Klinge fuhr in das Mondlicht auf dem Grasboden, die Wucht des eigenen Hiebes riss ihn nach vorn. Jacubs Schwertspitze drang in die Kniekehle des Fürstensohnes - Haut platzte, Sehnen rissen, Blut sprudelte, und der Strauchelnde stürzte über sein Schwert. Jacub holte erneut aus. Runynger sah verblüfft zu ihm auf - und derselbe verblüffte Ausdruck flackerte noch auf seinem bleichen Gesicht, als sein Schädel bereits neben seinem zuckenden Rumpf im Gras lag.
    Vorbei. Vorbei der Kampf, ehe er richtig begonnen hatte.
    Jacub stand auf seine Klinge gestützt und atmete schwer. Noch begriff er nicht, was geschehen war, noch konnte er nicht fassen, dass oberhalb der Senke eine Zukunft auf ihn wartete.
    Schritte näherten sich, er hob den Blick: Der Gottessänger schritt mit Sideryan und Ulban und den beiden ältesten Zeugen in die Senke herab. Er bückte sich nach Runyngers Schwert und hob es hoch. Nacheinander sah er die Zeugen und die beiden Eidmänner an; sein Blick hatte etwas Flehendes. Alle vier nickten und bestätigten auf diese stumme Weise, dass der Kampf mit rechten Dingen und dem Gesetz der Großen Mutter gemäß zugegangen war.
    Der Gottessänger legte den Kopf in den Nacken, blickte in den Himmel, bewegte stumm die Lippen. Danach überreichte er Jacub das Schwert des Fürstensohnes und sprach das rituelle Urteil: »Sein Leben in deiner Hand«, krächzte er mit zitternder Stimme. »Sein Schwert in deiner Hand. In deiner Hand alles, was er besaß.«
    »Alles, was wir haben, in der Hand der Großen Mutter.« Jacub antwortete mit der vorgeschriebenen rituellen Formel. »Die das Leben nimmt und die das Leben schenkt, ihr Name sei gelobt.« Beide Klingen legte er sich auf die Schultern. Sein Blick begegnete Sideryans Blick. Verschwinde, so schnell du kannst!, mahnte der. Jacub nickte nur und wandte sich ab. Sein Kopf war wie ausgesaugt, seine Knie schienen mit heißem Wachs gefüllt zu sein, als er die Senke hinaufstapfte.
    Am Felstisch erwarteten ihn vier Jungfrauen. Sie wuschen ihm die Erde und das Blut vom Leib. Der Rest des Rituals rauschte an Jacub vorbei. Wie es das Gesetz der Großen Mutter vorschrieb, lief er zu den Klippen. Er blickte zum Vollmond hinauf, versuchte zu fassen, was geschehen war. Wolken zogen auf, der Wind war kalt und feucht. Es würde regnen. Statt zur Großen Mutter betete Jacub zum Gott seines Ziehvaters Roscar, zu Dashirin.
    »Du hast mich vor den Tiefländern gerettet, als ich drei Winter alt war. Du hast mir die wilden Katzen als Familie zugewiesen. Du hast mir in Roscar von Eyrun einen Vater und Lehrer gegeben. Du hast mich zum Ritter von Eyrun gemacht, und du hast mich aus dem Kampf auf Blutgrund gerettet. Was muss ein Gott noch tun, um zu beweisen, dass er lebt und dass er stark ist? Vor dem Kampf habe ich es gelobt, nach dem Kampf schwöre ich es erneut: Mein Leben gehört dir. Ich werde jetzt gehen und deinen Willen tun.«
    Der Wind riss an seinem Haar. Er wandte sich um und schritt zu seinem Zelt. Sie beobachteten ihn, er spürte ihre Blicke im Nacken. Als er in seinem Zelt seine Habseligkeiten zusammensuchte, trommelten die ersten Regentropfen auf die Plane.
    In gestrecktem Galopp preschte er später durch den Sumpf. Jacub nahm den Weg durch den

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