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Die Tochter der Seidenweberin

Die Tochter der Seidenweberin

Titel: Die Tochter der Seidenweberin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Niehaus
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braucht Ihr schließlich eine Menge Hilfe. Mit vier Lehrtöchtern kommt man da nicht weit.«
    »Ja, aber das Seidamt …«, warf Lisbeth überrascht ein. Eine solche Ausnahme musste doch von den Amtsmeistern gemeinsam bei einer ihrer Sitzungen beschlossen werden. Das konnte Brigitta gar nicht allein entscheiden.
    Die ältere der Berchem-Schwestern tätschelte Lisbeth mütterlich den Arm. »Lass das Seidamt mal meine Sorge sein, Kindchen.« Sie lächelte. »Wenn ich es sage, dann ist das schon in Ordnung.«
    »Ganz in Ordnung«, echote Gunda.
    Erfreut bedankte Lisbeth sich bei den Damen und verließ beschwingt Haus Xanten. Das war einfacher gewesen, als sie gedacht hatte. Obschon es ein wenig seltsam anmutete, dass Brigitta und Gunda augenscheinlich eigenmächtig über die Belange der Zunft zu entscheiden vermochten, ganz ohne sich mit anderen Amtsmeistern zu beraten. Doch solange die Berchem-Schwestern ihr so offensichtlich wohlgesinnt waren, sollte das wirklich nicht Lisbeths Sorge sein.
     
    Zwei lange Tage hatte Fygen leidend in ihrer Kajüte verbracht. Eckert hatte getreulich zu jeder Mahlzeit angefragt, ob er ihr etwas zu speisen bringen solle, doch stets hatte sie abgelehnt. Allein der Gedanke an Essen hatte Fygen Übelkeit verursacht, und so hatte er die Zeit damit zugebracht, dem ein oder anderen Matrosen beim Würfeln das Geld aus der Tasche zu ziehen.
    Doch heute fühlte Fygen sich endlich besser, und sie sehnte sich nach frischer Luft. Zudem verspürte sie etwas Appetit, und so richtete sie ihre Kleidung, band ihre Haube fest, und, noch ein wenig blass um die Nase, ging sie an Deck.
    Das verlotterte Paar lagerte immer noch beim Ruderhaus. Der Rotgesichtige hatte den Arm um die Frau gelegt, und in bestem Einvernehmen teilten sie den Wein aus ihrem Krug. Eckert hatte recht behalten: Pack schlägt sich – Pack verträgt sich.
    Ein frischer Wind blies Fygen die Röcke gegen die Beine, und sie sog tief die salzige Seeluft ein. Der Himmel war grau verhangen, und die unruhigen Wogen des Meeres schäumten bleifarben. So groß war der Unterschied zum Atlantischen Meer heute nicht, stellte Fygen mit Bedauern fest.
    In einiger Entfernung konnte sie auf den Wellen drei andere Karavellen ausmachen. Die Segel im Wind gebläht, boten sie einen grandiosen Anblick. Fünf Schiffe waren es mit ihrem, die aus Gründen der Sicherheit in Conserva, das bedeutete im Verbund zu mehreren Schiffen, fuhren, wie Eckert ihr erklärt hatte. Denn zugunsten der Schnelligkeit entbehrten die wendigen Karavellen den Schutz starker Geschütze. Und die Gefahr von Korsaren war in diesen Gewässern nicht zu unterschätzen.
    Ein jäher Aufschrei zwang Fygens Aufmerksamkeit zurück an Bord des Schiffes. Der Rotgesichtige hatte seiner Begleiterin derb ins Mieder gegriffen. Angewidert stieß sie seine Hand fort, und sofort war er auf den Beinen. Grob zerrte er sie an den Haaren hoch und schlug ihr ins Gesicht.
    Kreischend versuchte die Frau auszuweichen, holte ihrerseits aus und schlug zurück. Das versetzte den Rotgesichtigen gänzlich in Rage. Mit schnellen, brutalen Schlägen prügelte er die Schwangere vor sich her über das ebene Deck der Karavelle. Schützend hielt sie die Hände vor den Bauch und versuchte den Schlägen auszuweichen. »¡Deixeu-lo estar! ¡Ay! Hör auf! Aua!«, schrie sie. Doch der Rotgesichtige hatte jede Hemmung verloren. Immer weiter wich die Frau vor ihm zurück, bis sie schließlich die Reling des Schiffes im Rücken spürte. Nun gab es keine Möglichkeit mehr zur Flucht. Der nächste Hieb traf sie auf die Wange, und sie schrie auf, gellend vor Schmerz.
    Hilfesuchend blickte Fygen sich um. Doch von der Mannschaft schien niemand von dem Streit etwas bemerkt zu haben. Die Seeleute waren damit beschäftigt, die Segel zu reffen, damit das Schiff nicht zum Spielball der Winde würde.
    Fygens Übelkeit war wie fortgeblasen. Mit wenigen Sätzen war sie bei dem Rotgesichtigen. »Hör auf, sie zu schlagen!«, befahl sie ihm in scharfem Ton.
    Doch der Rotgesichtige schien außer seiner trunkenen Wut nichts wahrzunehmen. Erneut hob er die Faust, und Fygen fiel ihm in den Arm.
    Stumpf wandte der Mann den Kopf. Wie ein lästiges Insekt wischte er Fygen beiseite und befreite seinen Arm, doch sogleich war sie wieder bei ihm. »Du sollst aufhören, habe ich gesagt!« Erneut packte sie ihn, diesmal am Hemd.
    Mit einer heftigen Bewegung stieß der Rotgesichtige seine Begleiterin von sich. Sie schlitterte über das Deck und prallte

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