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Die Tochter der Seidenweberin

Die Tochter der Seidenweberin

Titel: Die Tochter der Seidenweberin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Niehaus
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unähnlich.
    Doch dieser erste Eindruck verlor sich alsbald. Denn die alte Bela war alles andere als scheu. »Ich mache keine Hausbesuche mehr!«, beschied sie Lisbeth, kaum dass diese ihren Laden betreten hatte.
    »Ich bin nicht wegen einer Niederkunft gekommen«, entgegnete Lisbeth.
    »So? Warum dann?«
    Es fiel Lisbeth zwar immer noch nicht leicht, die Worte auszusprechen, doch was half es, lange herumzureden? »Ich kann keine Kinder bekommen«, sagte sie schlicht.
    Bela betrachtete sie aufmerksam aus kleinen, goldfarbenen Augen. Unter dem sauberen Kopftuch, das sie sich um den Kopf gewunden hatte, lugte eine dürre Strähne schlohweißen Haares hervor. »Du siehst gesund und kräftig aus. Was ist mit deinem Mann? Hat er Kinder?«, fragte sie forsch.
    »Nein, ich sagte doch, dass wir keine Kinder haben. Deswegen bin ich ja hier!«
    »Nicht du, Kindchen. Er! Hat dein Mann Kinder?«
    Die Direktheit der Frage ließ Lisbeth zusammenzucken. Anders als sein Vater war Mertyn kein Mann, der sein Vergnügen bei leichten Mädchen suchte. Abgesehen davon war ihr Gatte so sehr mit seinen Geschäften und der Politik beschäftigt, dass er kaum die Zeit für solche Zerstreuungen finden würde. »Nicht dass ich wüsste«, sagte sie verlegen.
    »Was stimmt dann nicht mit ihm?«, fragte Bela ungerührt.
    Auf den Gedanken, dass es nicht an ihr, sondern an Mertyn liegen könnte, war Lisbeth noch gar nicht gekommen. Gemeinhin war es der Fehl der Frauen, wenn sie keine Kinder bekamen.
    Sie musste ein verdutztes Gesicht gemacht haben, denn Bela ließ ein zahnloses, meckerndes Lachen hören. »Schau nicht wie eine Kuh, wenn es donnert! Es wär nicht das erste Mal, dass es an dem Kerl liegt.«
    Gänzlich unpassend kamen Lisbeth die respektlosen Worte der Berlichhure in den Sinn: »Oder hat dein Mann einen toten Wurm im Latz?« Lisbeth hielt sich die Hand vor den Mund. Wenn es nicht so traurig gewesen wäre, hätte sie laut gelacht.
    »Was ist mit seinem Zerss?«, fragte die Alte, als hätte sie Lisbeths Gedanken gelesen.
    Lisbeth stieg die Röte ins Gesicht.
    Was sollte damit sein?
    Fragend blickte sie Bela an.
    »Na, ist er zu groß oder zu klein, zu dick oder zu dünn, oder einfach krumm und schief? Vielleicht knubbelig und verwachsen?«, fragte sie so gleichmütig, als rede sie von Gurken, die ein Bauer auf dem Markt feilbot.
    Die Röte in Lisbeths Gesicht vertiefte sich. Mit einer solch peinlichen Befragung hatte sie nicht gerechnet. Sie hatte zwar nicht viele Vergleiche, doch bisher war ihr an Mertyns bestem Stück nichts Ungewöhnliches aufgefallen. Verneinend schüttelte sie den Kopf.
    Bela nickte. »Steht er oft in der Nacht auf, um sich zu erleichtern?«
    Abermals schüttelte Lisbeth den Kopf. »So alt ist er noch nicht.«
    »Ist er krank? Gebrechlich? Friert er leicht?«
    Gegen ihren Willen musste Lisbeth lächeln. Mertyn war jung, gesund und kräftig. »Nein.«
    »Trinkt oder isst er im Übermaß?«
    Mertyn aß schon gern und gut und sprach auch dem Wein zu. Doch übermäßig? Nein, das könnte man nicht von ihm behaupten. Dann dürfte kaum einer der Männer, die sie kannte, Kinder haben. Ihr Schwager Hans kam Lisbeth in den Sinn. Der aß in der Tat beängstigende Mengen. War das der Grund, warum er und Tante Fya bislang auch keine Kinder hatten?
    »Nein«, antwortete sie.
    »Wie ist sein Gemüt? Zornig? Traurig?«
    Abermals konnte Lisbeth nicht umhin zu lächeln. Bela kannte Mertyn nicht! Er war so gleichmütig und beherrscht wie kaum ein Mann. »Nein, auch das nicht.«
    Belas letzte Frage ließ Lisbeth aufhorchen: »Pflegt er oft den Beischlaf?«
    Ein Schatten fiel über ihr Gesicht. In der ersten Zeit ihrer Ehe hatten sie im Schlafgemach viel Freude aneinander gehabt. Mertyn war ein zärtlicher und ausdauernder Liebhaber. Doch das hatte mit der Zeit nachgelassen. Mittlerweile kam er oft erst spät in der Nacht in die Schlafkammer, wenn sie bereits schlief …
    »Hm!«, brummte die Alte. Unschwer hatte sie an Lisbeths Miene ablesen können, wie es um das Ime Hofesche Schlafgemach bestellt war.
    »Wenn er seinen Zerss nicht gebraucht, dann wird der Samen darin nutzlos!« Ein breites Lächeln glättete die Runzeln der Alten, und sie nickte zufrieden. »Kindchen, ich sehe nicht ein, warum du und dein Mann nicht einen ganzen Stall voll Kinder bekommen solltet!«, rief sie aus. »Du solltest seiner Männlichkeit ein wenig aufs Pferd helfen.«
     
    Mit dem Ellbogen drückte Lisbeth die Klinke an der Tür zu Mertyns Kontor auf und

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