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Die Tochter der Seidenweberin

Die Tochter der Seidenweberin

Titel: Die Tochter der Seidenweberin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Niehaus
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erteilt und ihn genau darüber in Kenntnis gesetzt, wie er bis zu ihrer Rückkehr in den Geschäften zu verfahren habe.
    Was Stephan geärgert hatte, war Hermans Reaktion gewesen, als er ihm den Brief gezeigt hatte. Hastig, beinahe grob, hatte dieser ihm den Brief abgenommen, obschon das Schreiben an ihn gerichtet war. »Künftig wünsche ich die Briefe mit ungebrochenem Siegel zu erhalten«, hatte er Stephan wissen lassen. Dann hatte er ihm genau die Anweisungen gegeben, die Fygen bereits schriftlich dargelegt hatte.
    Stephan hätte sie auch ohne Hermans Einmischung befolgt, er war ja schließlich nicht dumm, dachte er gekränkt. Bisher war er gut allein klargekommen, ohne Herman, auch wenn es eine Menge Arbeit war, die seine Dienstherrin ihm aufgebürdet hatte.
    Doch geschmeichelt durch das Vertrauen, das Fygen ihm entgegengebracht hatte, hatte er die Pflichten gern auf sich genommen. Er war begierig, zu lernen, denn schließlich wollte er eines Tages selbst Kaufmann werden, mit eigenem Kontor und eigenen Kaufmannsgesellen, und so hatte er allen Ehrgeiz darein gelegt, die Geschäfte während Fygens Abwesenheit erfolgreich zu führen.
    Stephan bezweifelte sehr, dass Herman besser wusste, wie man ein Handelskontor und eine Faktorei leitete, als er selbst. »Aufgeblasener Wichtigtuer!«, brummte er und schickte sich an, das Kaufhaus am Malzbüchel zu verlassen. Missmutig zog er den Kopf zwischen die Schultern und trat in den Nieselregen hinaus, der seit den frühen Morgenstunden Dächer und Häuser in Grau hüllte. Nach ein paar vorwitzig warmen Tagen im Mai hatte sich der kölnische Sommer als ein milder Winter erwiesen, kühl und regnerisch, und drohte nun unbemerkt in einen nicht minder trüben Herbst überzugehen.
    Als Stephan in den späten Nachmittagsstunden das Haus Zur Roten Tür aufsuchte, fand er die Frau seines Bruders in ihrer Werkstatt im Hof. Eine wohlige Wärme umfing ihn, als er das flache Gebäude betrat. An den Webstühlen wurde fleißig gearbeitet, und im hinteren Teil des Raumes wickelte Gertrud mit der anderen Helferin Garn auf Spulen. Stephan beeilte sich, die Tür hinter sich zu schließen, damit der bullige Ofen in der Ecke der Werkstatt seine Arbeit nicht umsonst verrichtete.
    Bei seinem Eintreten senkte sich das Geplapper der Frauen zu einem aufgeregten Tuscheln. Neugierig reckten Lehrmädchen wie angestellte Seidmacherinnen die Hälse, dankbar für die Ablenkung, die noch dazu durch einen so ansehnlichen Burschen verursacht wurde. Stephan schenkte den Frauen ein Lächeln, das jede Einzelne zu einer Fürstin erhob. Er war sich seiner Wirkung auf die holde Weiblichkeit durchaus bewusst.
    Mit leichtem Unbehagen entdeckte Lisbeth den Brief in der Hand ihres Schwagers, doch Stephan nickte beruhigend. »Von deiner Mutter«, sagte er und reichte ihr das Schreiben.
    Als Lisbeth Fygens schwungvolle Schrift erkannte, breitete sich ein erleichtertes Lächeln über ihr Gesicht.
    Die Seidmacherinnen und Lehrmädchen waren nun ganz verstummt und blickten ihre Dienstherrin erwartungsvoll an. Sie alle wussten natürlich von Fygens Reise und waren begierig auf die Neuigkeiten, die dieser Brief enthüllen mochte.
    Doch Lisbeth verdarb ihnen den Spaß. »Es ist genug für heute. Bald wird es ohnehin dunkel. Schert die hier noch alle gemeinsam auf«, sagte sie und wies auf die Webstühle, die eben bespannt wurden. »Und dann macht ihr Schluss für heute!«
    »Wird gemacht, Frau Ime Hofe!« Stina nickte.
    Gerade so schnell, wie es ihre Würde als Dienstherrin zuließ, wandte Lisbeth sich um und zog Stephan mit sich aus der Werkstatt. Doch am liebsten wäre sie gerannt. Es war das erste Lebenszeichen ihrer Mutter, seit Fygen im Frühjahr Köln verlassen hatte.
    »Na los, Kinder! Ihr habt es gehört. Beeilt euch ein wenig!« Stinas Worte folgten ihnen auf den Hof hinaus.
    In der Stube angelangt, ließ Lisbeth sich sogleich auf die Bank sinken und begann Fygens Brief zu lesen, die Zunge konzentriert zwischen die Lippen geklemmt, während Stephan ein formloses Bündel auf den Tisch legte und sich neben sie auf die Bank schob.
    »Es geht ihr gut!« Lisbeth seufzte erleichtert auf, als sie die ersten Zeilen entziffert hatte, und ihre Züge entspannten sich. »Gott sei es gedankt, es geht ihr gut!«
    »Schreibt sie, wann sie zurückkommt?«, fragte Stephan.
    »So weit bin ich noch nicht.« Wieder vertiefte Lisbeth sich in die Lektüre, bis sie plötzlich laut auflachte. »Hör dir das an«, sagte sie glucksend. »Ich

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