Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Tochter der Seidenweberin

Die Tochter der Seidenweberin

Titel: Die Tochter der Seidenweberin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Niehaus
Vom Netzwerk:
die Weberei verkaufen …«
    Fygens Gedanken wirbelten durcheinander. Sollte sie die Weberei kaufen? Hatte Alejandro sie deshalb hierhergebracht? War das seine Art, sie zu bitten, hierzubleiben? Bei ihm zu bleiben? Unsicher blickte sie zu ihm auf.
    In Alejandros Zügen lag Anspannung. Mit seiner rechten Hand hielt er die Linke so fest umfasst, dass die Knöchel weiß hervortraten. Er spürte, dass sie eine Erklärung erwartete. »Valencia kann sich keines nennenswerten Seidengewerbes rühmen«, hob er umständlich an. »Nicht wie Toledo oder Sevilla. Und das, obwohl man hier Rohseide in Mengen gewinnt …« Alejandro merkte selbst, wie dozierend seine Worte klangen, und er unterbrach sich. Es fiel ihm schwer, das, was er Fygen sagen wollte, in Worte zu fassen. Und das lag beileibe nicht daran, dass es ihm Schwierigkeiten bereitete, sich im Deutschen auszudrücken.
    Tief holte er Luft, bevor er fortfuhr: »Aber vielleicht ist es ja an der Zeit, das zu ändern? Hier gibt es mehr Seide, als man …« Abermals brach er ab und verbesserte sich: »… als
du
bis zum Ende deiner Tage verweben kannst.« Unsicher blickte er Fygen an. Hatte sie verstanden, was er ihr damit zu sagen versuchte?
    Ruhig erwiderte Fygen seinen Blick, hörte ihm zu, den Kopf aufmerksam geneigt. Nicht ein Zucken in ihren Zügen verriet ihm, ob sie ihn verstanden hatte.
    Alejandro seufzte. Er musste deutlicher werden. »Vielleicht könntest du noch eine Weile bleiben«, fuhr er fort. »Und diese Weberei wieder in Schwung bringen. Du musst es natürlich nicht – nur wenn es dir Freude bereitet. Ich weiß, die Weberei ist nicht besonders schön, etwas rückständig. Doch das lässt sich ändern. Es muss auch nicht diese Weberei sein. Möglicherweise finden wir noch eine andere. Vielleicht gefällt es dir hier irgendwann so gut, dass du ganz hierbleiben möchtest …« Nie war Alejandro so nervös gewesen. Er, der sonst so kühl zu verhandeln pflegte, redete nun in fieberhafter Hast, getrieben von der Angst, sie könne nein sagen. Er wollte nicht, dass sie abreiste. Dass sie so plötzlich aus seinem Leben verschwand, wie sie darin erschienen war.
    Alejandro hatte nie geheiratet. Dabei hatte er beileibe nicht gelebt wie ein Mönch. Er hatte nichts gegen Frauen. Er schätzte sie, nur nicht ihre ständige Gegenwart. Wenn sie hübsch waren, dann waren sie zumeist hirnlos, und Alejandro fand ihr andauerndes Geplapper mühsam. Wenn sie jedoch seinen Geist zu fesseln vermochten, gebrach es stets an anderer Stelle.
    Nie zuvor war er einer Frau begegnet, deren Gesellschaft er sich des Tages und in der Nacht wünschte, die klug und unterhaltsam zugleich war, und deren Äußeres sein Blut in Unruhe zu versetzen vermochte. So wie diese Frau hier es vermochte, und das, obschon sie ihre Jugend bereits lange hinter sich gelassen hatte.
    Ihre Reife war so anziehend, dass er Fygens Jugend nicht vermisste. Obwohl es interessant gewesen sein mochte, das Ungestüm ihrer frühen Jahre erlebt zu haben. Ein letztes Mal schlich sich ein Funken Neid auf seinen Halbbruder Peter in Alejandros Herz, weil jener es hatte erleben dürfen.
    Der Blick der alten Weberin glitt aufmerksam von Fygen zu Alejandro und zurück zu Fygen. Sie schien verstanden zu haben, dass es nicht auf de la Vegas Entscheidung ankam, sondern auf die der Frau.
    Fygens Blick heftete sich auf die ehedem weißgetünchte Wand hinter Alejandro. Wie gerne würde sie bleiben! Ihr Herz wünschte sich nichts sehnlicher, als bei Alejandro zu bleiben. Aber sie konnte doch in Köln nicht alles hinter sich lassen, ihre Kinder, die Faktorei, die Wolkenburg …
    Alejandro missdeutete Fygens Schweigen. Sie schien ihn noch immer nicht verstanden zu haben. Gewöhnlich war er sehr direkt, oft schon zu direkt, wie er an den Reaktionen so mancher Handelspartner hatte ablesen können. Doch heute schien eine nie gekannte Befangenheit von ihm Besitz ergriffen zu haben. Er war einfach nicht geübt darin, über Gefühle zu sprechen.
    »Herrgott, Frau!«, platzte es schließlich aus ihm heraus, und er fasste sie heftig an den Schultern. »Weißt du denn nicht, dass ich dich liebe? Bleib gefälligst hier und heirate mich!«
    So! Nun war es heraus. Mochte sie damit anfangen, was sie wollte. Sich entscheiden, wie sie wollte.
    Fygen war unfähig, zu antworten. Ihr Herz schlug wie wild in ihrer Brust. Er liebte sie! Immer noch stand sie da, die Hand um den Holm des Webstuhls geklammert, während ihre Gedanken

Weitere Kostenlose Bücher