Die Tochter der Tryll Bd. 3 - Vereint
sicher, dass ich mich gleich übergeben würde. Aber die Übelkeit verging wieder. Nicht weinen, nicht weinen, nicht weinen, sagte ich mir immer wieder, aber leider funktionierte meine Überzeugungskraft nur bei anderen. Ich griff hinter mich und hielt mich am Bettpfosten fest, denn ich hatte Angst, meine Beine könnten mir den Dienst versagen.
Was hatte ich da nur angerichtet? Was hatte ich Loki angetan? Und Tove? Und mir selbst?
»P rinzessin?« Duncan klopfte an die Tür, aber ich konnte ihm nicht antworten. Der Kloß in meinem Hals war zu dick. »P rinzessin?« Er öffnete die Tür, und ich versuchte, gefasst zu wirken. »W endy, geht es dir gut?«
»J a«, antwortete ich und riss mich zusammen. »I ch bin müde. Ich habe es gestern ein bisschen übertrieben.«
»J a, ich weiß«, sagte Duncan. »I ch habe geschlafen wie ein Toter, aber ich habe im Traum ständig Geräusche gehört? Hast du auch etwas mitbekommen? Mein Zimmer liegt direkt nebenan.«
»N ein, tut mir leid«, sagte ich mit einem heftigen Kopfschütteln.
»I ch wollte nur kurz nach dir sehen«, sagte Duncan. »G eht es dir wirklich gut?«
»J a, alles okay«, log ich.
»I ch habe heute Morgen mit Kenna gesprochen, und sie hat uns gebeten, die obdachlos gewordenen Überlebenden fürs Erste nach Förening mitzunehmen«, sagte Duncan. »W illa hat vorgeschlagen, dass wir gleich heute nach Hause fahren und den Flüchtlingen Zimmer im Palast zur Verfügung stellen. Danach sollten wir Leute hierherschicken, die den Wiederaufbau durchführen können. Wir wissen ja leider nicht, wie man ein Haus baut.«
»Ä h, das klingt gut«, sagte ich. »A ber ich muss noch mit Kenna reden.« Da fiel mir noch etwas auf und ich sah ihn an. »H eißt das, alle sind schon wach?«
»J a, außer dir, Tove und Loki«, bestätigte Duncan. »A ber den habe ich gerade im Bad getroffen, also ist er inzwischen wohl auch wach. Was war denn gestern Abend mit Tove los? Aurora sagte, er sei krank geworden oder so?«
»J a, er ist … krank«, sagte ich schnell und legte meine Hand über den Bluterguss auf meinem Arm. »I ch muss mit ihm reden. Ist er noch in seinem Zimmer?«
»S oweit ich weiß, ja«, sagte Duncan.
»D anke«, sagte ich. »I ch rede mit ihm, ziehe mich an und komme dann runter zum Frühstück. Ist das okay?«
»K lar, Prinzessin.« Duncan nickte mir zu. »A ber, Wendy? Du solltest heute wirklich einen Gang zurückschalten. Du siehst aus, als ob du auch etwas ausbrütest.«
Ich winkte ab und er machte sich aus dem Staub. Auf dem Weg in Toves Zimmer überlegte ich, was ich ihm sagen würde. Sollte ich ihm von Loki erzählen?
Nicht hier. Nicht jetzt. Wir mussten diesen Leuten helfen und ich wollte unsere kostbare Zeit nicht für einen Streit verschwenden.
Zögernd klopfte ich an die Tür. Ich wusste immer noch nicht, was ich ihm sagen würde. Er öffnete die Tür und sein Anblick machte alles nur noch schlimmer. Er sah schrecklich aus. Sein Haar war noch wirrer als sonst. Ich wusste, dass er geschlafen hatte, aber er hatte dennoch dunkle Ringe unter den Augen. Seine sonst moosgrün schimmernde Haut war blass, aber am schlimmsten war, dass er über Nacht um Jahre gealtert zu sein schien.
»E s tut mir so leid, Wendy«, waren seine ersten Worte, und einen Moment lang kapierte ich nicht, warum er sich entschuldigte. »I ch wollte dich nicht schlagen. Das würde ich niemals tun. Ich muss den Verstand verloren haben.«
»I st schon okay«, sagte ich tonlos. »I ch weiß das. Gestern war für uns alle ein bisschen zu viel.«
»D as ist keine Entschuldigung.« Tove schüttelte den Kopf. »I ch hätte … mich beherrschen müssen.«
»D as konntest du nicht«, sagte ich. »U nd das verstehe ich.«
»N ein, das verstehst du nicht. Was ich getan habe, war nicht in Ordnung. Es ist nie okay, eine Frau zu schlagen, und schon gar nicht die eigene Ehefrau.«
Bei dem Wort Ehefrau zuckte ich zusammen, aber er schien es nicht zu bemerken. Ich wollte dieses Gespräch so schnell wie möglich beenden, weil ich es nicht ertrug, dass er sich nach meiner Nacht der Untreue bei mir entschuldigte. Ich war auch keine Befürworterin von Gewalt gegen Frauen, aber das gestern war nicht der echte Tove gewesen.
Und ich hatte etwas getan, das mindestens ebenso schlimm war. Ich hatte mit Loki geschlafen. Zwar war auch ich nicht gerade im Vollbesitz meiner Kräfte gewesen, als es passiert war, aber wenn ich ehrlich war, hatte ich mich schon lange danach gesehnt, auch im nicht
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