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Die Tochter der Wälder

Die Tochter der Wälder

Titel: Die Tochter der Wälder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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wird unsere Verfolger fern halten, bis es Morgen wird. Bis dahin können wir schon weg sein.«
    Ich hörte, wie jemand an der Laterne nestelte, und nach einer Weile ein sanftes Knistern. Ein Glühen breitete sich aus und warf orangefarbenes Licht auf ihre grimmigen Gesichter. Sie unterhielten sich leise, und nach einer Weile gelang es mir, ihnen Namen zuzuordnen. Der ältere hieß John, der Mann mit der Laterne jung und blond, hieß Ben. Den hochgewachsenen Mann, der mich aus dem Fluss gefischt hatte, nannten sie den Roten, so unwahrscheinlich das auch klang. Jetzt wühlte er in meiner Tasche herum. Ich schloss die Augen und versuchte, nicht mehr zu schaudern.
    »Sie hat sich daran geklammert. Was ist da drin? Der Familienschmuck?«
    Keine Antwort. Nach einer Weile öffnete ich die Augen ein wenig. Der Rote schloss die Tasche wieder.
    »Nicht viel«, sagte er. Seine Stimme klang seltsam. Er sah auch seltsam aus, obwohl ich sein Gesicht nur verschwommen sah, als er sich über mich beugte. Angewidert biss ich die Zähne zusammen.
    »Ich glaube, sie ist krank. Gib mir deinen Umhang, Ben.«
    »He, es ist kalt. Und was wird aus mir?« Aber er reichte ihm den Umhang, und ich spürte die Wärme. Der Mann berührte meine Schulter mit der Hand; ich zuckte zurück und unterdrückte einen Aufschrei. Einen Augenblick lang starrte ich ihm direkt in die Augen, die blau waren und mich erstaunt anschauten. Er runzelte die Stirn.
    »Immer mit der Ruhe«, sagte er. »Immer mit der Ruhe«, als spräche er mit einem nervösen Pferd oder einem halbwilden Hund. Jetzt, dachte ich. Jetzt werden sie mich packen, und ich werde – und ich werde – ich kam nicht weiter, denn sie waren zu dritt, alle bewaffnet und alle viel größer und stärker als diese anderen. Das hier waren abgehärtete Kämpfer. Ich hatte keine Chance. Aber ich hatte scharfe Zähne und Nägel, und ich würde sie einsetzen, solange ich noch Kraft hatte.
    »Zieh dich aus«, sagte der Rote, und ich rollte mich entsetzt zusammen. Ich spürte, wie ich zitterte. Mein klopfendes Herz maß das Schweigen. Wie lange würde es dauern, bis sie ihre schmutzigen Hände an mich legten? Wie lange konnte ich den Wutschrei unterdrücken, der in meiner Kehle loderte?
    »Was ist los mit dir?« Er klang gereizt. »Hier.« Er hielt mir etwas hin.
    »Sie versteht dich nicht, Roter.« Das war Ben. »Immerhin ist sie eine von den Eingeborenen, und ich glaube, ihr fehlen auch ein paar Ballen im Heuschober.«
    »Wahrscheinlich hat man ihr schon öfter wehgetan«, warf der ältere Mann ein. »Sie hat Angst, dass ihr näher kommt. Gebt ihr die Kleider und zieht euch zurück. Es hat nicht viel Zweck, mit ihr zu reden – ihr müsst ihr zeigen, dass ihr nichts Böses wollt.«
    Mein Retter zog die Brauen hoch und legte, was er in der Hand hatte, neben mich auf den Boden. Dann zogen sich die drei zurück, wechselten einen Blick und wendeten sich ab.
    »Das ist dumm«, sagte Ben mit dem Rücken zu mir. »Wer ist sie, eine Prinzessin, oder was? Als erstes ist sie eine Barbarin; zweitens ist sie so klug wie ein Stück Holz, und drittens sind Rotbarts Männer direkt hinter uns. Und hier stehen wir und machen uns Gedanken um weibliche Züchtigkeit.«
    »Sei still, Ben«, sagte der Rote, und sein Begleiter schwieg.
    Ich bemerkte, dass man mir ein ziemlich großes Hemd aus grobem Leinen und einen Gürtel gegeben hatte. Es roch nach Schweiß, aber es war trocken. Es gab auch eine Art Unterhemd.
    Der Rote warf einen Blick über die Schulter zurück. »Du sollst deine nassen Sachen ausziehen und die anderen anziehen«, sagte er, aber es war klar, dass er nicht erwartete, dass ich ihn verstand. Also drehte er sich wieder vollständig um und spielte mir vor, was ich tun sollte, während ich ihn anstarrte.
    Vielleicht, dachte ich, hatten sie wirklich nicht vor, mir wehzutun. Und im Übrigen hatte ich nicht viel zu verlieren. Ich konnte spüren, wie ich vor Fieber glühte. Mir war noch genug Vernunft geblieben, um zu wissen, dass trockene Kleider helfen würden. Der Rote drehte sich wieder um.
    »Wieso redest du überhaupt mit ihr?« wollte Ben wissen. Er schien mehrere Jahre jünger zu sein als sein Freund, vielleicht gerade erst alt genug für ein solches Unternehmen, was immer es sein mochte. Wenn sie tatsächlich Briten waren, waren sie weit von daheim entfernt. »Man muss sie doch nur ansehen, um zu wissen, dass sie nicht ganz da ist. Du magst deine Gründe haben, hierher zu kommen, aber selbst du musst

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