Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Tochter der Wälder

Die Tochter der Wälder

Titel: Die Tochter der Wälder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
Vom Netzwerk:
und um seinen neugeborenen Sohn, stand John einfach auf und ging.
    Lady Anne jedoch war Richards Schwester. Während dieser langen Tage, die sein Onkel in Harrowfield verbrachte, machte der Rote mehr als einen Versuch, zu verhindern, dass die beiden zu viel miteinander allein waren. Aber er konnte das nicht ständig tun. Er konnte nicht die ganze Zeit im Haus sein, denn es wurde wärmer, und die Arbeit auf dem Land war in vollem Gang, Pflügen, Pflanzen, die ersten Lämmer. So gingen eines Nachmittags Lady Anne und ihr Bruder in ein ernstes Gespräch vertieft im Garten auf und ab, und ich beobachtete sie vom Fenster des lang gezogenen Raumes aus und fragte mich, was sie ihm wohl erzählte. An diesem Abend, beim Abendessen, merkte ich, wie Richards durchdringender Blick von mir zum Roten und wieder zurück wanderte, und ich fragte mich, wie lange es dauern würde, bis er mich das nächste Mal allein erwischte.
    Endlich, eines Abends, verkündete Richard, dass er und seine Männer am nächsten Tag abreisen würden. Man konnte beinahe erleichtertes Aufatmen hören. Der ganze Haushalt war ununterbrochen gereizt, und ich glaube, niemand war traurig, ihn gehen zu sehen. Selbst Lady Anne widersprach nicht. Sie bat allerdings, dass wir uns später am Abend zu einem Becher heißen Punsch versammeln sollten, um ihm Lebewohl zu sagen, und diese Bitte schloss auch Margery und mich ein. Eine ganze Anzahl phantasievoller Entschuldigungen waren zuvor für mich gefunden worden, aber diesmal gab es keinen Ausweg, und daher saß Lady Anne einige Zeit später mit ihrem Bruder und ihrem älteren Sohn in der Halle, und ich duckte mich in die Schatten und versuchte, unauffällig zu bleiben. Der Rote saß am Fenster, beschäftigt mit seiner Schnitzarbeit. John stand hinter Margerys Stuhl. Eine junge Dienerin war nach oben geschickt worden, um sich um Johnny zu kümmern, aber der Junge schlief gut, und sie würde wenig zu tun haben. Eine Landkarte war auf dem lang gezogenen Tisch ausgebreitet, und daneben standen zwei von Richards Männern mit Ben und unterhielten sich über die Genauigkeit der Grenzlinie.
    »Was haltet Ihr davon, junger Benedict?« Richard warf diese Bemerkung lässig über seine Schulter. Er hatte unbeteiligt gewirkt, ihnen aber offenbar sorgfältig gelauscht. »Glaubt Ihr, wir können diesen Wachturm am Nordende der Bucht vor Mittsommer einnehmen? Wenn man diesen Turm hält, hat man einen Landeplatz, der recht sicher sein sollte. Das war immer eines unserer Probleme; das und ihre kunstvolle Art zu segeln. Ich habe nie ganz begriffen, wie sie das machen. Sie kommen aus dem Nichts, mit ihren schlauen, kleinen Booten. Man weiß nie, wann man für sie bereit sein muss.«
    »Es heißt, sie verwenden Hexerei.« Das war einer von Richards Männern. »Dass jeder Klan einen Zauberer hat, einen Magier, der Stürme und Nebel heraufbeschwören kann, indem er sich an den Teufel wendet. Es heißt, ganze Armeen sind auf diese Weise verschwunden. Nicht, dass ich es glauben würde. Aber es gibt Geschichten.«
    »Geschichten, die nur verbreitet wurden, um den Feind zu verschrecken«, meinte Richard zynisch. »Eine erprobte Taktik. Ganz ähnlich, wie sich anzumalen oder beim Angreifen Trommeln zu schlagen. Es überrascht den Feind, macht ihn nervös, erschreckt ihn. Es gibt keine Zauberei. Sie hatten Glück, das war alles, und sie kennen sich mit dem Wetter dort aus. Diese Leute sind keine größeren Zauberer als du oder ich.«
    »In der Tat«, erwiderte der andere Mann. »Denn sie haben christliche Priester, die zweifellos so etwas nicht zulassen würden. Und außerdem, wer hat schon je von Hagel so groß wie Hühnereier gehört, oder von einem Sturm, der plötzlich aus dem Nichts auftaucht, oder Regen aus klarem Himmel?«
    In diesem Augenblick warf ich dem Roten einen Blick zu, und der Rote schaute mich an. Ich erinnerte mich an die Berührung seiner Hand in diesem plötzlichen Regen, diesen festen, warmen Griff, der das einzig Wirkliche in diesem wilden, druidischen Regen gewesen war. Dieser Sturm hatte uns beiden das Leben gerettet. Ich las in seinen Augen, dass er an dasselbe dachte.
    »Diese Geschichten sind alt«, meinte Richard nachdenklich und streckte seine eleganten Beine zum Feuer hin. »Es ist ein seltsamer Ort mit einem seltsamen Volk. Je mehr ich über sie erfahre, desto schwerer fällt es mir, sie zu verstehen. Eines Tages wird das ganze Land zweifellos uns gehören, und die Überreste dieses wilden Volkes werden einfach

Weitere Kostenlose Bücher