Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Tochter der Wälder

Die Tochter der Wälder

Titel: Die Tochter der Wälder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
Vom Netzwerk:
konnte, so dass es einen flachen Tümpel mit nur wenig Strömung ergab. Hier legte ich meine stachelige Last ab. Ich benutzte einen runden Stein, um die Fasern zu brechen und auseinanderzudrücken, bis sie mehr nach einzelnen Fäden aussahen. Ich drehte jeden dieser Stränge um einen Stock, der zwischen die Steine im Tümpel geklemmt werden konnte, damit das Wasser ringsumher floss. Dann wartete ich. Ich hatte drei Tage Zeit, mir die Sternmierenstacheln aus den Händen zu ziehen und eine lindernde Salbe zu benutzen, Zeit, meine mageren Vorräte zu betrachten und zu erkennen, dass ich, ohne mir mehr zu beschaffen, nicht bis zum Frühjahr durchkommen würde. Zeit genug, um zu lernen, wie ich über dem Feuer Haferbrei kochen konnte, und mein neues Zuhause ein wenig zu entdecken. Ich war verblüfft, als ich bemerkte, dass es gar nicht weit von der Kuppe des westlichen Hügels entfernt war und dass ich von dort aus einen kleinen Bereich gerodeten Landes sehen konnte. Es gab dort ein oder zwei kleine Bauernhäuser. Vielleicht waren sie nahe genug, dass ich mich dort versorgen könnte. Vielleicht waren sie nahe genug, um eine Bedrohung darzustellen.
    Am vierten Tag holte ich die Mieren aus dem Wasser, schlug die Fasern noch mal und hängte sie in die Höhle, bis sie beinahe trocken waren. Am nächsten Tag begann ich zu spinnen.
    Arme Linn. Sie war so auf mich eingestimmt und so schlicht und treu, wie nur ein guter Hund sein kann. Sie konnte nicht verstehen, wieso ich weinte und wieso ich so angespannt war und warum sie es nicht besser machen konnte, indem sie mich leckte und winselte und so dicht bei mir saß, wie sie konnte. Es störte mich, sie so bedrückt zu sehen, und ich versuchte zu arbeiten, während sie jagte; aber es ging langsam, so langsam. Stiel um Stiel brüchigen Fadens, der brach und sich auflöste und sich nicht drehen wollte, und so sehr ich mich auch anstrengte, die Schmerzen wurden bald so stark, dass ich die Spindel fallen ließ und loslief, um meine armen Hände im Bach zu kühlen.
    Es waren finstere Zeiten, und an den schlimmsten Punkten hörte ich eine innere Stimme, die sagte, diese Aufgabe ist unmöglich. Warum gibst du nicht auf? Deine Hände sind geschwollen, du weinst den ganzen Tag, und was ist das Ergebnis? Eine kleine Spule schlecht gesponnenen Fadens, klumpig und zerbrechlich, kaum genug für eine Jacke für einen Schmetterling, nicht zu reden von einem Hemd für einen Mann. Es kann nicht getan werden. Und woher bist du so sicher, dass die Herrin des Waldes dich nicht angelogen hat? Vielleicht ist das nur eine Grausamkeit von ihr, und deine Arbeit ist umsonst.
    Es war schwer, diese Stimme zu ignorieren. Mehr als einmal holte ich das kleine, glatte Stück Holz heraus, sah mir den kleinen Baum an, der dort hinein geschnitzt war und stellte mir vor, wie ich mit Simon sprach, redete und redete, durch all seine Verzweiflung und seinen Selbsthass. Und ich begann, mir selbst Geschichten zu erzählen, nicht laut, sondern im Geist; und ich übte, all meine Aufmerksamkeit auf die Geschichte zu richten, ob es nun die eines Helden oder eines Riesen oder dreier Brüder war, die sich aufmachten, um das Glück zu suchen. Wenn ich mich an keine Geschichten erinnern konnte, erfand ich welche oder schmückte die aus, die ich kannte.
    Den ganzen Tag war ich mit dieser schrecklichen Arbeit beschäftigt, die Schmerzen ließen nicht nach, und die Schwellung machte es schwer, Spindel und Faden zu beherrschen. Inzwischen allerdings gingen meine Gedanken über den Schmerz hinaus und richteten sich auf eine schöne Dame oder einen edlen Krieger oder auf Drachen, Schlangen und Zauber.
    Wenn es zu dunkel war, um zu arbeiten, legte ich weg, was ich getan hatte, und versuchte, nicht darüber nachzudenken, wie wenig Faden als Ergebnis meiner langen Arbeit entstanden war. Es gab keinen Bruder, der die Mierenstacheln aus meiner Haut zog, keinen Sänger von Liedern, der mich tröstete, keinen Freund, der meine Hände mit heilenden Salben bestrich und verband. Die Stacheln mussten drinbleiben, denn mit meinen geschwollenen, betäubten Fingern konnte ich sie nicht herausziehen. Hin und wieder begann die Haut zu nässen. Dann wurde ich fiebrig und schwindelig. Aber ich hatte einen Vorrat von Vater Briens Arzneien mitgebracht, benutzte eine Kampfersalbe und stellte ein Gebräu aus Weidenrinde her, das ich sowohl zum Waschen als auch zum Trinken benutzte. Nach einer Weile ging es mir gut genug, dass ich wieder beginnen konnte,

Weitere Kostenlose Bücher