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Die Tochter der Wälder

Die Tochter der Wälder

Titel: Die Tochter der Wälder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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fest. Den kleinen Rucksack, der sorgfältig ausgewählte Gegenstände aus Vater Briens Kräuter- und Gewürzvorräten beinhaltete, trug ich selbst. Und seinen Eichenstock würde ich ebenfalls mitnehmen.
    Ich blieb noch einen Augenblick, bevor ich mich verabschiedete. Die Lichtung war voller Erinnerungen. Das Eintreffen von Vater Brien, seine Gebete, sein Lesen, seine Heilerarbeit, sein einsames Leben im Wald, seine Belehrungen. Seine jungen Besucher: der ernste Liam und der vergnügte Diarmid, die Zwillinge wie Spiegelbilder, Cormack tapfer und furchtlos, Conor in tiefes Nachdenken versunken. Finbar mit seiner leidenschaftlichen Integrität. Padraic begierig nach Wissen. Und ihre kleine Schwester, die nicht der siebte Sohn eines siebten Sohnes war, aber trotzdem mit ihnen kam. Er hat uns im Laufe der Jahre viel gelehrt, und nun war er gegangen. Nun war das Menschenleben meiner Brüder nur noch eine Erinnerung, bis ich sie zurückbringen konnte. Hier war die Eberesche, wo ich die Herrin des Waldes zum ersten Mal gesehen hatte. Hier die Stelle, wo mir Simon sein Messer an die Kehle gesetzt und uns gefragt hatte, warum wir seinem elenden Leben kein Ende machen. In der Luft lag immer noch eine Spur seiner Stimme; lass mich nicht allein, flüsterte sie, lass mich nicht allein.
    Ich rieb mir heftig über die Wangen, dann schnippte ich mit den Fingern nach Linn. Sie würde schnell lernen müssen, dass ich sie nicht mehr rufen oder mit freundlichen Worten loben würde. Dann griff ich nach dem Führseil des Pferdes, wand mich dem Wald zu und ging nach Westen.

KAPITEL 5
    Die Herrin des Waldes hatte unsere Zuflucht gut gewählt. Sie lag dicht am Nordufer des Sees, an einer Stelle, wo ein kleiner, bewaldeter Hügel eine winzige Bucht vor Blicken schützte. Wo sich das Land von der Bucht aus erhob, gab es eine Höhle, die ebenso viel kunstvoller Bauarbeit als der Natur verdankte. Obwohl sie so nah am Ufer lag, war sie hinter knorrigen Ebereschen und Klettergewächsen beinahe vollkommen verborgen. Ein Stück weiter den Hügel hinauf, auf einer kleinen Lichtung, gab es eine Quelle, und hier wuchsen halbwilde Kräuter, die einstmals von einem anderen Wanderer angepflanzt worden waren. Und überall am Bachufer, den ganzen Weg bis hinunter zum See, wuchsen die kräftigen Stiele und fedrigen Blätter der Miere. Diese Pflanze bleibt selbst in kältesten Zeiten grün. Also konnte ich sofort anfangen.
    Die Höhle selbst erwies sich als Überraschung; es sah aus, als sei sie sorgfältig gegraben und vergrößert worden, und hier und da waren seltsame Symbole in die Mauern gemeißelt, deren Bedeutung ich bestenfalls erraten konnte. Conor hätte vielleicht gewusst, welche Warnung oder welchen Schutz sie bedeuteten, welche Geschichte sie erzählten. Es waren Nischen in den Höhlenwänden, und sie waren nicht alle leer. Ich fand in Öltuch gewickelte Decken und alte Umhänge und ein paar Messer mit geschnitzten Knochengriffen und erstaunlich gut erhaltenen Klingen. Es sah so aus, als hätten andere hier schon Zuflucht gesucht, vielleicht geschützt vom Feenvolk. Noch nützlicher vielleicht war ein Sack Hafermehl und ein Vorrat kleiner, süßer, verschrumpelter Äpfel.
    Die Decken waren die beste Entdeckung, denn es war kurz vor Mittwinter, und ich wollte nicht mehr als das kleinste Feuer entzünden, um nicht entdeckt zu werden. In den langen Nächten drang mir die Kälte bis in die Knochen. Ich wickelte die Decken um mich und versuchte, meinen Schmerz nicht zu spüren.
    Vielleicht war es dumm zu glauben, den Bann heben zu können. Zu viele Geschichten, könnte man sagen, den Kopf voll alter Märchen, wo es nur darum geht, Aufgaben zu erledigen, und dann erreicht der Held, was sein Herz begehrt. Aber selbst damals war ich nicht so dumm. Ich hatte Simon einmal gesagt, dass er seine Geschichte so enden lassen könnte, wie er wollte. Aber das traf nicht wirklich zu. Ich hatte meinen Weg gewählt; aber es gab andere, die seinen Verlauf beeinflussten, die ihn ablenkten und veränderten und verwirrten. Und wie die Herrin des Waldes mir schon gesagt hatte, würde es selbst zu Anfang schwer sein. Viel schwerer, als ich je geglaubt hätte, dass es sein könnte.
    Jeder, der einmal versucht hat, mit Flachs oder feiner Wolle zu spinnen oder zu weben, weiß, dass es einen Zoll an den Händen fordert, weil das Kämmen und Drehen die Finger aufreibt, so dass Blasen an der Haut entstehen, und die Bewegung der Spindel verursacht Schmerz in den Gelenken. Man

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