Die Tochter der Wälder
und ob er einen trockenen Platz zum Schlafen hatte. Ich fragte mich, ob auch nur die geringste Möglichkeit bestand, einen ganzen Ärmel in einer Nacht zu weben und ihn bis zum Morgen in das Hemd zu nähen.
»Gut. Und jetzt antworte mir. Bist du tatsächlich schuldig?«
Ich konnte mich nicht zu einer Antwort zwingen. Was für einen Sinn hatte das schon? Warum zustimmen oder abstreiten, wenn Richard ohnehin meinen Tod beschlossen hatte?
»Du willst nicht antworten? Nicht einmal mit einem Nicken oder Kopfschütteln? Du musst wissen, dass das als Geständnis der Schuld aufgefasst wird.«
Ich sah ihn schweigend an. Er runzelte die bleiche Stirn und schaute beunruhigt drein.
»Was könnte sie angesichts solcher Anklagen schon sagen?« warf Richard ein. »Es ist klar, dass sie sowohl eine Ehebrecherin als auch eine Spionin ist. Sie hat diesen Haushalt ausgenutzt wie eines jener Geschöpfe des Bösen, die den Opfern das Blut aussaugen. Sie hat das Vertrauen meiner Schwester und meines Neffen auf die übelste Art missbraucht. Sie …«
»Hat man den letzten Zeugen immer noch nicht gefunden?« fragte Vater Dominic leise. »Dieser Benedict, der Mann, von dem Ihr gesprochen habt? Ich würde gerne seine Aussage noch hören, bevor das letzte Urteil gefällt wird.«
»Er ist weg, Herr.« Die Männer an der Tür zuckten die Achseln. »Wir haben Leute nach ihm geschickt, und alle haben nach ihm gesucht, aber die Stallburschen erzählten, er sei weg. Schon seit ein paar Tagen, sagen sie. Zu Besuch bei seiner Familie, nehmen sie an.«
Ich sah, wie Richard bei dieser Nachricht die Augen ein wenig zusammenkniff, und er rief einen seiner Männer zu sich. Nach einem raschen, geflüsterten Wortwechsel verließ der Mann das Zimmer recht schnell.
»Aha.« Vater Dominics Tonfall war sehr kühl. »Dies war ein wichtiger Zeuge. Man hätte dafür sorgen müssen, dass er hier blieb. Habt Ihr das nicht versucht? Müsst Ihr Euch auf Eure Stallburschen verlassen, was genauere Informationen angeht?«
»Ich wusste nicht, dass er weg war, Vater.« Und das war die Wahrheit, das sah ich ihm an, als nur mühsam verborgener Zorn in seinen Augen aufblitzte.
»Nun, es ist klar, dass wir diesen Zeugen nicht hören können. Gibt es weitere Aussagen?« fragte Vater Dominic und sah sich unter den Versammelten um.
»Ich möchte … ich möchte eine Frage stellen, wenn Ihr erlaubt.« Es war ungewöhnlich, dass Lady Anne so zögernd sprach. Alle drehten sich zu ihr um, als sie sich erhob.
»Gut, dann fragt.« Der Priester schien müde zu sein. Es war ein langer Tag gewesen – ein sehr langer Tag.
»Sollte das Mädchen schuldig sein, wird sie zum Tode verurteilt werden. Aber … was ist, wenn sie schwanger ist? Das ist möglich, sogar wahrscheinlich. Das Kind wäre der Erbe von Harrowfield, der Sohn meines Sohnes. Ich möchte nicht …«
Ich spürte, wie ich vor Scham und Erniedrigung rot wurde. Aber gleichzeitig wusste ich tief drinnen genau, was sie empfand. Ein solches Kind wäre meines, zur Hälfte ein Sohn von Eire; nach ihrer Einschätzung würde ihn das zu einem wilden Fanatiker und geschworenen Feind alles dessen machen, was ihr lieb war. Aber das Kind wäre auch der Sohn des Roten, dessen Vater und dessen Vaters Väter dieses Tal genährt hatten. Ich hätte ihr sagen können, dass ich nicht schwanger war. Aber ich saß da wie ein Stein und zwang mich, nicht mit der Wimper zu zucken. Ich vergaß nicht, dass ich die Tochter des Waldes war, keinen Augenblick. Und etwas, was ich vor langer Zeit gehört hatte, zuckte durch meinen Kopf und war wieder verschwunden, bevor ich Zeit hatte, es zu begreifen. Etwas, woran ich mich noch vor kurzem erinnert hatte … jemand, der weder Brite noch Ire ist, aber gleichzeitig beides … aus welcher Geschichte stammte das? Ich konnte mich nicht erinnern.
»Sieh mich an, Mädchen.« Vater Dominic hatte sich nun erhoben. »Bist du schwanger? Trägst du das Kind deines Mannes?«
Richard schnaubte. »Das ist wirklich unglaublich! Ihr erwartet eine ehrliche Antwort darauf? Das Kind könnte von jedem sein. Dieses Mädchen ist nicht besser als eine billige Hure vom Marktplatz. Sie hat es sogar mit mir versucht, vor einem oder zwei Tagen. Glaubte, sie könne sich die Freiheit kaufen, indem sie die Beine breit macht.«
»Das genügt.« Richard klappte den Mund überrascht zu. »Ihr guten Leute, dieser Teil der Verhandlung ist beendet. Richard und ich werden nun über unser Urteil nachdenken. Wir werden euch
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