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Die Tochter der Wälder

Die Tochter der Wälder

Titel: Die Tochter der Wälder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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nach dem Abendessen noch einmal hereinrufen und euch dann mitteilen, zu welchem Schluss wir gekommen sind. Sollte es eine Strafe geben, wird sie am Morgen verkündet.« Die Leute schlurften nach draußen, steif vom langen Sitzen. Vater Dominic wandte sich wieder Richard zu. »Ihr solltet das Mädchen jetzt lieber wieder einschließen. Sorgt dafür, dass sie etwas zu essen hat; ihr lauft Gefahr, sie zu verlieren, bevor sie noch bestraft werden kann. Wir sollten uns für weitere Besprechungen dieser Angelegenheit vielleicht in einen abgelegeneren Raum zurückziehen.«
    »Mir kommt das alles klar genug vor.« Richard klang beinahe quengelnd.
    Ich hörte nichts weiter, da meine Wachen mich an den Armen packten und zurück in die kleine Zelle brachten. Jemand brachte Brot und Wasser, und ich aß und trank, und kurz danach gab mein Magen selbst diese einfache Kost wieder von sich, beinahe, als wäre ich tatsächlich schwanger. Ich tastete im Dunkeln nach meiner Arbeit und fand sie. Ich wusste, dies war die letzte Nacht. Ich griff nach dem kleinen Webrahmen, tastete nach Schiffchen und Garnknäuel und begann zu arbeiten.
    Es war selbstverständlich hoffnungslos. Es bestand keine Möglichkeit, einen Ärmel zu beenden und den anderen herstellen zu können und alles in einer einzigen Nacht zusammenzunähen, ohne auch nur eine Kerze zu haben.
    Aber ich arbeitete weiter. Störrisch, wie? Vielleicht hätte ich noch ein wenig länger. Richard hatte die Spezialmischung beschrieben, die so heiß brannte, dass sie alles bis auf die Knochen zerstörte. Er wartete vielleicht bis zur Abenddämmerung, damit es spektakulärer war. Draußen regnete es noch immer. Das wäre gut für die kleinen Eichenbäume. Richard würde auf trockenes Wetter hoffen. Im Regen gab es kein schönes, heißes Feuer. Gegen Morgen, wie in Vorbereitung für eine Verbrennung, hörte der Regen auf, und eine kühle Brise kam auf. Ich hörte eine Eule rufen, in der letzten Stille vor dem Morgengrauen. Dann war sie weg, floh in den Schutz der Bäume. Die Sonne ging auf, und die Vögel begannen mit ihrem süßen Gesang. Ich versuchte ohne großen Erfolg, nicht an die Dinge zu denken, die mich zu überwältigen drohten. Der letzte Regen, die letzte Eule, die letzte Morgendämmerung. Sie kamen früh, um mich zu holen, zwei große Männer in den Farben von Northwoods. Niemand sagte mir, wie das Urteil gelautet hatte, und ich konnte nicht fragen. Der erste Ärmel war so gut wie fertig und mit einem Stich oder zweien an die anderen Teile des Hemdes genäht. Der zweite war noch nicht einmal begonnen. Lass es nicht jetzt sein, nicht direkt, flehte ich lautlos. Nicht jetzt, noch nicht. Bitte.
    Sie brachten mich nicht in die Halle, um meine Strafe vor der Versammlung zu verlesen; stattdessen wurde ich in eine Kammer im Obergeschoss geführt, und der einzige Anwesende war Lord Richard. Ich war taub vor Angst, aber dennoch muss sich meine Überraschung auf meiner Miene abgezeichnet haben.
    »Eine geringfügige Änderung, fürchte ich«, sagte er. Er stand am Fenster, von den blonden Locken bis zu den polierten Stiefeln eine makellose Gestalt. Ich stand vor ihm, mitten im Raum, die Hände an den Seiten. In Befolgung eines unausgesprochenen Befehls zogen sich die Wachen vor die Tür zurück. »Unser gelehrter Freund wurde unerwartet abberufen. Tatsächlich ist er schon gestern Abend nach dem Abendessen davongeritten. Jemand hat in Elvington einen Priester erstochen. Also musste Vater Dominic gehen. Er hatte nicht einmal mehr die Zeit, mir bei der Verkündung des Urteils zu helfen. Aber es ist kein großer Verlust, das muss ich zugeben. Ein störrischer Bursche, schwer zu überzeugen. Aber er ist nicht gegangen, nicht, ohne mir die Meinung zu sagen.« Er hielt einen Augenblick lang inne. Wieder war die Zeiteinteilung hervorragend.
    »Selbstverständlich bestand nie ein Zweifel an deiner Schuld«, sagte Richard, und nun spielte er nicht mehr, sondern war tödlich ernst. »Schuldig der Spionage für den Feind. Schuldig des Ehebruchs. Und schuldig der Zauberei. Die Beweise gegen dich waren überwältigend. Komm her, Jenny.« Dass er mich mit dem Namen ansprach, verursachte mir eine Gänsehaut. »Nein? Dann muss ich zu dir kommen.« Er trat vor mich, mit erwartungsvoll blitzenden Augen. »Du kennst die Strafe für diese Verbrechen. Nicht einfach nur Verbannung, und man wird dich auch nicht in ein Kloster einschließen, wo du bequem weiterleben kannst. O nein. Du hast hier Schaden

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