Die Tochter der Wanderhure
und ging mit langen Schritten davon.
Trudi blickte ihm nach und fühlte, wie ihr die Tränen in die Augen stiegen. Obwohl sie den Mann mehr denn je verabscheute, begann sie zu ahnen, dass er recht hatte. Immerhin ging es um das Überleben ihrer Familie, und da durfte sie den König nicht verärgern. Andererseits hätte sie sich von Friedrich ein wenig mehr Verständnis und vor allem Einsatz für ihre Belange erhofft. Auch ärgerte es sie, dass er Georg von Gressingen so feindselig behandelt hatte. Ihr blieb nur zu hoffen, dass er sich beim abendlichen Mahl aufgeschlossener zeigen würde. Und was Eichenloh betraf, durfte sie nicht vergessen, dass sie ihm ihr Leben verdankte. Tief in ihr drinnen wusste sie mittlerweile auch, dass er nicht der Mörder ihres Vaters sein konnte. Gewiss, er war ein rauher Kerl, aber ehrlich und geradeheraus, also gewiss nicht der Mann, der einen Meuchelmord beging.
Sie vertrieb den Söldnerführer jedoch rasch wieder aus ihren Gedanken und richtete diese auf ihr nächstes Zusammentreffen mit Gressingen. Auf der Reise nach Graz hatte sie nicht ungestört mit ihm sprechen können. Dabei gab es so viel zu erzählen, und sie wollte unbedingt erfahren, was er in den letzten Monaten gemacht hatte. Dann würde sie hoffentlich verstehen, warum er nicht auf Kibitzstein erschienen war, obwohl er ihr ewige Treue geschworen hatte.
9.
S o genau König Friedrich auf den zeremoniellen Verlauf offizieller Auftritte achtete, so locker gab er sich, wenn man beim Mahl an seinem Tisch saß. Eben lauschte er mit sichtlichem Vergnügen Eichenlohs Bericht über die Einnahme der Burg Teiflach undblickte wohlwollend zu Trudi hinüber, deren Taten ausführlich gewürdigt wurden. Selbst Graf Otto, der Trudi immerhin die hässliche Narbe im Gesicht verdankte, nickte anerkennend, als er hörte, wie das Mädchen den Wächter ausgeschaltet hatte, der das Fallgitter hatte herablassen wollen.
»Ich habe zu meinem Leidwesen schon erfahren, dass die Jungfer mehr Mut besitzt als mancher Mann. Aber wäre ich nicht betrunken gewesen …« Diese Möglichkeit ließ Henneberg unausgesprochen.
Eichenloh winkte ab. »In dem Fall wärst du nicht verrückt genug gewesen, sie überhaupt anzugreifen, sondern hättest dich höflich vor ihr verbeugt und sie gebeten, sich nach Hause zu begeben.«
»Was ich bestimmt getan hätte!« Trudi versuchte, ruhig zu bleiben. »Es war unser geschriebenes Recht, den Wein auf Hilgertshausener Land zu lesen, und davon lassen wir uns nicht abbringen. Zu was schließt man Verträge, wenn sie nur dazu dienen, das Herdfeuer anzuzünden?«
»Die junge Dame spricht ein wahres Wort«, pflichtete der König ihr bei. »Würden die Herrschenden Recht und Gesetz so befolgen, wie es beschworen ist, würde es im Reich friedlicher zugehen. Doch viele der Edlen streben danach, sich mit Gewalt und falschen Eiden möglichst viel Land anzueignen, um noch mächtiger zu werden. Die göttliche Ordnung gilt ihnen nichts mehr!« Eichenloh wusste, dass König Friedrich weniger auf den Würzburger Bischof als auf seinen Bruder Albrecht von Österreich anspielte, der sich seiner Meinung nach als der Jüngere seiner Führung hätte anvertrauen müssen, anstatt selbst nach Macht und Reichtum zu greifen.
Auf Trudi hingegen wirkten die Worte so, als wolle er den Feind ihrer Mutter in die Schranken weisen, und sie schöpfte neue Hoffnung. »Ihr sprecht weise, Euer Majestät. Wir selbst, das heißt, meine Mutter, meine Geschwister und ich, werden wider alles Recht durch den Bischof von Würzburg bedrängt, der unseinen großen Teil unseres Besitzes wegnehmen will und für den Rest den Untertaneneid fordert. Dabei ist Kibitzstein ein reichsfreies, erbliches Lehen, das Kaiser Sigismund meinem Vater verliehen hat. Kaiser Sigismund wollte meinen Vater wegen seiner Verdienste sogar noch zum Reichsfreiherrn ernennen, doch der Tod kam ihm zuvor.
Erhabener Herr, Ihr müsst uns helfen! Allein vermögen wir dem Würzburger nicht zu widerstehen. Doch wenn Kibitzstein fällt, wird der Bischof sich auch noch die übrigen reichsfreien Herrschaften in Franken einverleiben und diese Euch als dem Wahrer des Reiches entziehen. Seht Euch nur Herrn Georg von Gressingen an. Er wurde von dem Bischof bereits von seinem Besitz vertrieben, nur weil er seine angestammten Rechte wahren wollte.« Trudis Versuch, sich auch für ihren Geliebten zu verwenden, war in Eichenlohs Augen Narretei. Für Friedrich war der Mann eine Kreatur seines Bruders Herzog
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