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Die Tochter der Wanderhure

Titel: Die Tochter der Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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begnügte sich mit einem Stuhl und gab, als er sich gesetzt hatte, das Zeichen zum ersten Kampf.
    Falko war so nervös, dass er kaum die Lanze richtig fassen konnte. Sein Kopf war wie leergefegt, und ihm war, als hätte er niemals einen Übungskampf bestritten. Sein Freund Hilbrecht hatte ihm in die Rüstung geholfen und sah nun angespannt zu ihm hoch.
    »Du weißt, was du zu tun hast?«
    »Freilich. Immerhin war dein Vater mein Lehrer, und der weiß zu kämpfen.«
    Bei dem Gedanken an Heinrich von Hettenheim, der zwar nicht mehr so gelenkig war wie früher, aber eine große Erfahrung vermitteln konnte, fand Falko zu sich selbst zurück und vermochte sein Pferd so ruhig auf den Stechplatz zu lenken, als ginge es um einen Ausritt. Am jenseitigen Ende sah er Graf Otto auf seinem Pferd sitzen und wunderte sich, wie klein der Henneberger wirkte. Mit einer energischen Bewegung der linken Hand schloss er den Helm und fasste den kleinen Schild. Durch den Schlitz im Visier sah er den anderen antraben und gab nun auch seinem Pferd die Sporen.
    Die beiden Pferde rannten, durch den Zaun getrennt, aufeinander los. Ihre Reiter senkten die Lanzen und zielten mit ihren Spitzen auf die Schilde. Falko biss die Zähne zusammen, als der Aufprall kam. Mit einer geschickten Drehung, die sein Arm wie von selbst machte, gelang es ihm, die Lanze seines Gegners von seinem Schild abgleiten zu lassen, während seine eigene beim Zusammenstoß zerbrach.
    Ohne Pause ging es weiter. Hilbrecht, der sich als Knappe angeboten hatte, reichte seinem Freund eine neue Lanze, und dann ritt Falko zum zweiten Mal gegen Graf Otto an. Seine Unruhe hatte sich nun völlig gelegt, und ihm war, als klinge die Stimme seines Ausbilders in seinem Kopf auf. Diesmal gelang es ihm zwar nicht mehr, die Lanze seines Gegners abzulenken, doch er konnte die Wucht des Stoßes mindern und sich im Sattel halten. Das wunderte ihn, denn eigentlich hätte Otto von Henneberg ihn mit Leichtigkeit vom Pferd heben müssen.
    »Der Junge hält sich ausgezeichnet!«, rief Peter begeistert aus.
    Damit brachte er Marie, die die Anspannung nicht mehr ausgehalten und zu Boden gestarrt hatte, dazu, aufzublicken. Gerade ließ Otto von Henneberg sich eine neue Lanze reichen und hattegleichzeitig Mühe, seinen übermütig stampfenden Hengst zu beruhigen.
    Auf ein Zeichen des bischöflichen Herolds gaben die beiden Streiter ihren Pferden erneut die Sporen. Falko sah Henneberg näher kommen und wusste, dass er einen festen Stoß nicht mehr überstehen würde. Zu seiner Verblüffung wanderte die Lanze seines Gegners jedoch kurz vor dem Zusammenprall zur Seite und zielte an ihm vorbei. Bevor er sich jedoch einen Gedanken machen konnte, trafen sie aufeinander. Seine Lanze zerbrach, während Henneberg ihn um Haaresbreite verfehlte.
    »Verdammter Gaul!«, fluchte Graf Otto, doch Peter hörte das Lachen in seiner Stimme und sah Marie grinsend an.
    »Was habe ich Euch gesagt? Falko passiert nichts!«
    Marie begriff, dass die Gefahr für ihren Sohn vorüber war, kniete nieder und dankte der Heiligen Jungfrau und ihrer persönlichen Schutzheiligen Maria Magdalena für dieses Wunder.
    Unterdessen lenkte Graf Otto sein Pferd vor den Bischof, ließ sich den Helm abnehmen und neigte den Kopf. »Wie es aussieht, habe ich meinen Gegner unterschätzt. Beinahe wäre es ihm dadurch gelungen, mich aus dem Sattel zu heben. Zum Glück blieb mir die Schande der Niederlage erspart.«
    »Ihr hättet härter zustoßen sollen«, grollte Pratzendorfer, der ebenso wie der Bischof begriff, dass der jüngere Henneberger seinen Kontrahenten geschont hatte.
    Das wurde nun auch Falko klar, und sein verletzter Stolz bäumte sich auf. Doch Graf Otto ritt auf ihn zu und streckte ihm die Hand entgegen.
    »Ihr hattet einen ausgezeichneten Lehrmeister, Junker Falko, einen besseren jedenfalls, als ich ihn in Eurem Alter besaß!« Dieses Lob für den abwesenden Heinrich von Hettenheim konnte Falko nicht zurückweisen. Er ergriff Ottos Hand und sah ihn mit einem bitteren Lächeln an.
    »Ihr seid ein ebenso ehrenhafter wie edelmütiger Gegner gewesen.Doch einen weiteren Gang mit Euch hätte ich wahrscheinlich nicht mehr überstanden.«
    »Ihr kämpft für Euer Alter ausgezeichnet, Falko Adler. In wenigen Jahren wird es nicht mehr viele Ritter geben, die gegen Euch bestehen werden.« Mit diesen Worten war der Friede wiederhergestellt, und die beiden ritten gemeinsam zur Seite, als wären sie die besten Freunde, und sahen nebeneinander den

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