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Die Tochter des Fotografen

Die Tochter des Fotografen

Titel: Die Tochter des Fotografen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Edwards
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Caroline ihm zu und wünschte ihm flüsternd eine gute Nacht. Dann zog sie die Schlafzimmertür fest hinter sich zu, da sie Al für jemanden hielt, der das Fehlen einer Wiege bemerken würde.
    Während der Fahrt hatte Caroline Pläne geschmiedet, und nun zog sie eine Schublade ihrer Anrichte auf und schüttete deren geordneten Inhalt auf den Boden. Dann legte sie die Schublade mit zwei Handtüchern aus, steckte ein gefaltetes Laken darüber fest und bettete Phoebe zwischen die Tücher. Als sie sich in ihr eigenes Bett legte, übermannte sie die Müdigkeit, und sie schlief auf der Stelle ein. Ihr Schlaf war tief und traumlos. Das laute Schnarchen nebenan im Wohnzimmer hörte sie genausowenig wie die Räumfahrzeuge auf dem Parkplatz oder das Rattern der Müllwagen auf der Straße. Doch als Phoebe sich irgendwann, mitten in der Nacht, meldete, war Caroline sofort auf den Beinen. Erschöpft, aber entschlossen, bewegte sie sich in der Dunkelheit, wie man einen Fluß durchschwimmt. Sie wechselte Phoebes Windeln, rührte ihre Milch an und konzentrierte sich voll und ganz auf das Neugeborene in ihren Armen und die Aufgaben, die vor ihr lagen – dringende und vereinnahmende Aufgaben, die keinen Aufschub duldeten und momentan nur von ihr erledigt werden konnten.

    *

    |80| Caroline erwachte in gleißender Helligkeit und mit dem Geruch von gebratenem Speck und Eiern in der Nase. Ihren Morgenmantel fest um sich ziehend, beugte sie sich über das Baby und berührte dessen entspanntes Gesicht. Dann ging sie in die Küche, wo Al gerade Butter auf den Toast strich.
    »Guten Morgen«, rief er gutgelaunt und schaute sie an. Sein Haar, wenn auch gekämmt, war noch immer ein bißchen wüst. Er hatte einen kahlen Fleck auf dem Hinterkopf und trug ein goldenes Medaillon an einer Kette um den Hals.
    »Ich hoffe, es stört Sie nicht, daß ich mich hier bedient habe, aber ich habe gestern nicht zu Abend gegessen.«
    »Es riecht gut«, stellte Caroline fest. »Ich bin auch hungrig.«
    »Na, dann«, erwiderte er froh und schenkte ihr einen Kaffee ein. »Gut, daß ich ein bißchen mehr gemacht habe. Ein feines kleines Zuhause haben Sie hier. Schön und sauber.«
    »Finden Sie?« fragte sie unsicher. Der Kaffee war stärker und viel schwärzer als der, den sie gewöhnlich zubereitete. »Ich überlege mir gerade, ob ich umziehen soll.«
    Ihre Worte überraschten sie selbst. Aber einmal ausgesprochen, erschienen sie ihr wahr. Helles Tageslicht fiel auf den braunen Teppich und die Armlehne ihres Sofas. Draußen tropfte Wasser von den Dächern. Sie hatte jahrelang Geld gespart, hatte sich in einem Haus gesehen oder sich ihre Zukunft als buntes Abenteuer ausgemalt, und nun saß sie hier: mit einem Baby im Schlafzimmer, einem Fremden am Tisch und einem Auto, das fünfzig Kilometer entfernt feststeckte. »Ich hatte überlegt, nach Pittsburgh zu ziehen«, präzisierte sie ihre Aussage und setzte sich damit schon wieder in Erstaunen.
    Al rührte die Eier mit einem Schieber um und hob sie auf die Teller. »Pittsburgh? Nette Stadt. Was zieht Sie dorthin?«
    »Meine Mutter hat dort Verwandtschaft«, log Caroline, während er die Teller auf den Tisch stellte und ihr gegenüber |81| Platz nahm. Es schien, als könne man, hatte man einmal mit dem Lügen angefangen, nicht mehr damit aufhören.
    »Ich wollte Ihnen noch sagen, daß es mir leid tut«, räusperte sich Al. »Was auch immer mit dem Vater Ihres Kindes geschehen ist.«
    Caroline hatte schon fast vergessen, daß sie einen Ehemann erfunden hatte, und war verblüfft, aus Als Tonfall herauszuhören, daß er nicht daran glaubte, daß sie jemals einen gehabt habe. Sie fragte sich, ob er sie für eine unverheiratete Mutter hielt. Sie aßen, ohne viel zu sprechen, tauschten nur hier und da Bemerkungen über das Wetter, den Verkehr und seine neue Route, die nach Nashville, Tennessee, führen sollte, aus.
    »Ich bin noch nie in Nashville gewesen«, stellte Caroline fest.
    »Nicht? Na dann kommen Sie an Bord, Sie und Ihre Tochter«, lud Al sie ein. Es war ein Scherz, aber auch ein Angebot. Ein Angebot, das nicht ihr, sondern einer unverheirateten Mutter galt, die gerade eine Pechsträhne hatte. Trotzdem stellte sich Caroline einen Moment lang vor, wie sie, samt ihren Kisten und Decken, aus der Tür gehen und niemals wiederkehren würde.
    »Vielleicht das nächste Mal«, antwortete sie und griff nach dem Kaffee. »Ich muß hier noch ein paar Dinge erledigen.«
    Al nickte. »Verstehe. Ich weiß, wie das

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