Die Tochter des Giftmischers - Poole, S: Tochter des Giftmischers - Poison
hinter seinem Pult. Kerzenlicht fiel auf seine
kraftvollen Züge, auf denen sich Erleichterung spiegelte. Er spielte mit einer schmalen Klinge, die zum Öffnen der gesiegelten Briefe diente. »Ihr habt Euch besser geschlagen als ich dachte«, sagte er.
Als ich antwortete, dass ich mich nicht erinnerte, wie ich in diese Welt zurückgekehrt war, so entsprach das der Wahrheit. Trotzdem konnte ich mich in allen Einzelheiten an das erinnern, was zuvor tief unten in den Eingeweiden des Palazzo geschehen war. Obwohl ich Blut über alles verabscheue, habe ich dem Mörder meines Vaters die Kehle durchtrennt – zumindest einem seiner Mörder, aber sicher nicht dem Anführer.
Vieles stand noch aus.
Das Blut war über die Pritsche, auf den Steinboden und weiter bis dicht vor meine Füße geflossen. Wie in einer antiken Opferszene. Für Sekunden hatte mich ein eigenartiges Gefühl der Zufriedenheit und Erleichterung erfüllt, bevor Vittoro mich zurückgezerrt und mir das Messer aus der Hand gerissen und auf den Boden geworfen hatte. Ohne auf die Erlaubnis des Kardinals zu warten, hatte er mich weggeführt.
Wortlos hielt der Kardinal mir das Glas hin, das er nachgefüllt hatte. Ich nahm es, trank aber nicht. Meine Aufmerksamkeit war auf Borgia gerichtet. Ich hatte ihn ebenso unterschätzt wie er mich. Ich hätte nie gedacht, dass er zu solchen Mitteln greifen würde, um sich meiner Mitwirkung zu versichern.
»Ich ziehe Gift vor«, sagte ich schließlich in neutralem Ton. Ich wollte die dunklen Gedanken möglichst für mich behalten, die mir durch den Kopf gingen. Ich hatte Borgia gegenüber schon viel zu viel von mir preisgegeben.
»Rache ist und bleibt Rache, in welcher Form auch immer«, erwiderte der Kardinal.
Der Windhund, der ihm zu Füßen lag, hob kurz den Kopf, bevor er ihn wieder ablegte. Er war einer seiner liebsten Jagdhunde. Borgia züchtete die Hunde auf seinem Landsitz, doch einige durften immer in seiner Nähe sein. Der Kardinal liebte alle Tiere … bis auf die, die er am liebsten in Stücke riss.
»Die Rache ist mein, sagt der Herr«, zitierte ich und dachte für einen Moment, dass Rocco das gefallen hätte. Und doch konnte ich mich diesem Glauben nicht anschließen, solange der Mann, der den Tod meines Vaters beschlossen hatte, noch lebte und atmete.
Der Kardinal zog eine Braue in die Höhe.
»Vor ein paar Minuten habt Ihr die Dinge aber ohne Zögern in die Hand genommen.«
»Gottes Gerechtigkeit ist für die jenseitige Welt. Hier auf der Erde müssen wir uns selbst darum kümmern.«
Ich sah zu Vittoro auf, der mich voller Sorge beobachtete. »Sollten wir nicht besser unter vier Augen sprechen, Eminenz? «
Dabei dachte ich zuerst an mich. Je weniger Menschen wussten, wozu ich meine Zustimmung gab, desto besser. Aber um Vittoro ging es mir natürlich auch. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass er an dem, was der Kardinal und ich vorhatten, beteiligt sein wollte.
Wieder überraschte mich Borgia.
»Der Hauptmann besitzt mein volles Vertrauen«, sagte er und bedeutete Vittoro, neben mir Platz zu nehmen. Eine kluge Geste, die uns alle auf eine gemeinsame Stufe stellte.
Auch wenn der marmorne Tisch mit seinen goldenen Beinen und die palastähnliche Umgebung nicht den geringsten Zweifel aufkommen ließen, dass hier nur der Kardinal zu befehlen hatte.
In dieser Runde redeten wir bis weit in die Nacht. Borgia betonte immer wieder, man müsse den Eindruck haben, dass der Tod auf natürliche Art und Weise eingetreten sei. Und ich wiederholte, dass ich nicht wisse, wie mein Vater das Problem habe lösen wollen, versprach aber, mein Bestes zu geben, um einen Weg zu finden.
»Lasst Euch nur nicht zu lange Zeit«, sagte Borgia. »Ich kann zwar Fragen in der Kurie vorbringen, um den Erlass des Edikts für einige Zeit hinauszuzögern, aber nicht für lange.«
»Habt Ihr eine Vorstellung, wie viel Zeit uns bleibt?«, fragte Vittoro, der bis dahin geschwiegen hatte.
»Die Erkrankung des Papstes hat die Dringlichkeit erhöht«, antwortete Borgia. »Wir haben höchstens ein paar Tage, denke ich.«
Ein paar Tage, um diejenigen, die schon unter normalen Umständen eine Verschwörung witterten, glauben zu machen, dass ein Mensch auf natürliche Art und Weise gestorben ist? Wozu der Tod eines Papstes sicher nicht zählte.
»Wisst Ihr, ob mein Vater diese Krankheit zu verantworten hat?«, fragte ich.
Borgia schüttelte den Kopf.
»Ich habe nicht die leiseste Ahnung. Offenbar hat Innozenz aber genau das
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