Die Tochter des Giftmischers - Poole, S: Tochter des Giftmischers - Poison
ich zugeben.
Es war erst ein paar Tage her, seit ich Borgia auf dieselbe Art herausgefordert und er mich am Leben gelassen hatte. Vielleicht war mir ja auch diesmal das Schicksal hold?
»Ihr macht Euch Sorgen um das Wohlergehen eines jüdischen Kindes? Ich muss sagen, Ihr erstaunt mich, Signorina. «
»Nun gut«, sagte ich, »aber Ihr habt mir noch nicht verraten, warum ich hier bin.«
Inzwischen hatte ich jedoch eine vage Vermutung. Selbst wenn mein Vater Jude war, so wollten sie mich wohl kaum bei meinem Racheplan unterstützen. Jedenfalls nicht in ihrer verzweifelten Lage. Das ließ nur einen einzigen Schluss
zu. Ich wagte kaum zu atmen, geschweige denn zu hoffen, dass das Schicksal uns ein gemeinsames Ziel beschert hatte.
Ben Eliezer rückte mit dem Hocker näher zu mir heran und senkte seine Stimme.
»Ihr wisst von dem Edikt und Innozenz’ Plänen. Das Edikt darf unter gar keinen Umständen erlassen werden.« Seine Züge wurden hart. »Es sind schon genügend Juden ums Leben gekommen, viele werden noch sterben. Während unsere Rabbis und die Kaufleute zögern, bringt der Wahnsinnige uns noch alle um.«
Ich begriff, dass Ben Eliezer auf die Anführer in den Ghettos anspielte, die sich nicht direkt gegen Innozenz wenden wollten. Zu einem Geschäft mit Borgia waren sie bereit, aber weiter wollten sie nicht gehen. Konnte man ihnen daraus einen Vorwurf machen? Wenn man den Juden eine so hinterhältige Tat wie einen Papstmord anhängen könnte, würden alle Höllenhunde auf sie losgelassen. Das würde kein jüdischer Mann, keine Frau und erst recht kein Kind in Rom überleben. Und ein Ende wäre nicht abzusehen. Die gesamte Christenheit würde sich zu einem blutigen Rachefeldzug aufmachen, wie es in der Weltgeschichte noch keinen gegeben hat.
Ohne Zweifel hatte das Edikt, das Innozenz vorbereitete, dieselben Folgen. Darüber waren sich Ben Eliezer und die anderen, die er um sich geschart hatte, einig.
»Es gibt nur einen einzigen Weg, um den Mann aufzuhalten«, sagte ich.
Wir sahen einander an, und ich vermutete, dass er genau wie ich in diesem Moment an dieselbe Ungeheuerlichkeit dachte. Wenn auch aus anderen Beweggründen.
»Wisst Ihr, was mein Vater getan hat?«, fragte ich.
Ben Eliezer drehte sich um und gab ein Zeichen, worauf Sofia aus dem Schatten hervortrat. Ich war nicht sonderlich überrascht. Irgendjemand musste Ben Eliezer und die anderen ja auf mich aufmerksam gemacht haben.
»Ich hoffe, Ihr vergebt uns«, sagte sie. »Aber wir mussten sichergehen, bevor wir uns offenbaren konnten.«
Sie zog einen Hocker zu sich heran, und vom Lichtschein beschienen, saßen wir eng zusammengedrängt im Kreis. Es gab keinen Grund, ihr Vorwürfe zu machen. Die Dinge entwickelten sich so schnell, dass ich mich nicht mit Kleinigkeiten aufhalten konnte.
»Ich sagte Euch, dass Euer Vater nach einem Mittel suchte, das einen Tod natürlich aussehen lässt.« Als ich nickte, fuhr Sofia fort. »Wie Ihr wisst, kennen wir die Ursachen von Krankheiten nicht. Bei einer Seuche erkranken und sterben die Menschen, auch wenn sie sich in ihre Häuser einschließen. Wer aufs Land flieht, kann davonkommen. Bei einem Fieber im Sommer erkranken nicht alle. Auch die Pocken töten eine große Zahl an Menschen, während andere erblinden oder schreckliche Narben davontragen und wieder andere überhaupt nicht krank werden. Dafür gibt es weder einen Grund noch einen erkennbaren Rhythmus.«
»Gottes Wille …«, begann ich, doch Sofia schüttelte den Kopf.
»Wohin führt es, wenn wir uns auf Gottes Willen berufen? Damit werden alle Fragen sinnlos. Euer Vater glaubte, genau wie ich, dass wir unseren Verstand, den wir von Gott bekommen haben, benutzen müssen, um herauszufinden, wie wir uns selbst helfen können. Genau das ist Gottes Wille.«
Ein überraschender Gedanke. Der heilige Augustinus lehrt, dass Gott dem Menschen einen freien Willen gegeben hat, aber er sagt auch, dass unser Schicksal von Beginn an vorbestimmt ist. Wie also kann der Mensch über eine göttliche Bestimmung entscheiden? Und wenn es keine Wahl gibt, wie kann man uns für unsere Sünden verantwortlich machen?
Wie Ihr seht, drehen wir Christen uns im Kreis, wenn wir das Unerklärliche zu ergründen suchen.
Lieber sollten wir uns naheliegenderen Problemen widmen.
»Und zu welchem Ergebnis hat meinen Vater sein Verstand geführt?«
»Er kam zu dem Schluss, dass manche Menschen leichter erkranken, wenn sie eng mit anderen Erkrankten zusammenleben. «
Das
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