Die Tochter des Giftmischers - Poole, S: Tochter des Giftmischers - Poison
leuchtete ein. Die meisten Ärzte oder Priester nähern sich keinem, wenn sie fürchten, sich anzustecken. Außer sie werden reich entlohnt. Aber selbst dann nehmen sie ihre Pflicht nur halbherzig auf sich. Sofia war da die große Ausnahme.
»Niemand, der einer Krankheit verdächtigt wird, darf sich dem Papst nähern«, fuhr sie fort. »Aus diesem Grund musste Euer Vater eine andere Möglichkeit finden, um Innozenz mit einer Krankheit anzustecken.«
»Und hat er sie gefunden?«
Sofia zögerte so lange, dass ich mich schon fragte, ob sie überhaupt antworten würde. Schließlich sagte sie:
»Euer Vater hielt es für möglich, dass man das Blut eines Kranken als Überträger nutzen kann.«
»Warum ausgerechnet Blut? Sind dazu denn nicht alle vier Körpersäfte geeignet?« Jedenfalls hatte ich das so gelernt. Dieses Wissen reichte bis zu dem Griechen Hippokrates zurück, und dieser Tradition folgten alle Ärzte.
»So lautet die Lehre«, bestätigte Sofia. »Blut, gelbe und schwarze Galle und Schleim haben alle Einfluss auf unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden. Zu viel Galle zum Beispiel macht reizbar, während ein Übermaß an schwarzer Galle Schlaflosigkeit zur Folge hat. Jede dieser Flüssigkeiten hat eine Aufgabe und ist für den Körper unverzichtbar.«
»Warum hat sich mein Vater dann nur auf Blut verlegt?«
»Weil es die beste Möglichkeit bietet, um zu Innozenz vorzudringen«, antwortete Ben Eliezer.
Er grinste, aber gleich darauf warnte mich seine Miene, dass mir das, was er nun zu sagen hätte, nicht gefallen würde. »Seit Jahren versucht Innozenz, seine Gesundheit zu pflegen und dem Tod zu entkommen, indem er an Brüsten von Ammen saugt.«
Ich hatte natürlich davon gehört. Wer in Rom hatte das nicht? Spott und Gerüchte waren das Salz in der Suppe, unsere Unterhaltung und zugleich unsere Waffe. Manchmal schienen wir nur dafür zu leben.
Aber Eliezer hatte noch mehr zu bieten. »Seit kurzem ist Innozenz überzeugt, dass Muttermilch nicht mehr ausreicht. Jetzt braucht er Blut. Blut von heranwachsenden Knaben.«
Ich hätte gern behauptet, dass ich schockiert war, aber das war nicht der Fall. Menschen lassen sich die verrücktesten Dinge einfallen, um dem Tod ein Schnippchen zu schlagen. Je mächtiger sie sind, desto abartiger werden die Praktiken. Ich habe Leute gekannt, die sich von Plazenta ernähren oder
Gold verspeisen, was meiner Meinung nach den Tod eher beschleunigt.
»Sicher kennt Ihr die Schule der cantoretti in Rom?«, fragte Sofia.
Wie viele hatte ich gerüchteweise davon gehört. Man erzählte sich, dass die Chorleiter des Vatikans wie in Byzanz vielversprechende Talente kastrierten. So klangen ihre Stimmen für immer außergewöhnlich rein und hell wie die Stimmen der Engel.
Dieses Verfahren war äußerst umstritten, weil es erstens fremdländisch war – die Muslime hatten eine besondere Vorliebe dafür – und zweitens Gottes Gebot verletzte, dass wir fruchtbar sein und uns mehren sollten. Außerdem jagte es den meisten Männern einen wahrhaften Schrecken ein.
»Was ist mit der Schule?«, fragte ich, ohne mein Wissen zu offenbaren.
»Einige Jungen, die der Schule anvertraut sind, werden inzwischen zu einem anderen Zweck genutzt«, erklärte Sofia. »Einem Zweck, den Innozenz höher eingestuft hat.«
»Um ihn am Leben zu erhalten?«, riet ich.
Ben Eliezer nickte.
»Sie dürfen sogar ihre Männlichkeit behalten, weil der Papst um die seine fürchtet – falls sie überhaupt noch vorhanden ist –, wenn er das Blut von Kastraten erhält. Aber nur wenige überleben die Prozedur, von der er sich … nährt.«
»Und warum das?«
»Weil sie zu oft zur Ader gelassen werden«, erklärte Sofia. »Jedenfalls kam Euer Vater auf den Gedanken, dass man das Blut, das den Jungen abgenommen wird, gegen das Blut
eines Sterbenskranken austauschen könnte. Er hoffte, dass der Papst erkranken und sterben würde.«
»Wurde dieser Versuch durchgeführt?«
»Das wissen wir nicht. Wie ich Euch bereits sagte, hat Giovanni alle Verbindungen mit uns zu unserer eigenen Sicherheit abgebrochen. Möglicherweise hat er irgendwo infiziertes Blut erhalten. Vielleicht hat er sogar einen Weg gefunden, um bis zu Innozenz vorzudringen.«
»Damals hat sich die Gesundheit des Papstes plötzlich verschlechtert«, bemerkte Ben Eliezer. »Leider haben wir nie erfahren, ob die Bemühungen Eures Vaters der Grund dafür waren. Und leider ist Innozenz nicht gestorben.«
Nein. Er lebte noch immer, und wenn man
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