Die Tochter des Giftmischers - Poole, S: Tochter des Giftmischers - Poison
wunderbar ins Bild gesetzt hat. Ich folgte Vittoros Blick. Um Unseren Herrn zu verleiten, seine heilige Mission auf der Erde zu leugnen, bietet Satan ihm alle Reichtümer dieser Welt, doch ohne Erfolg. Sie werden allesamt zurückgewiesen. Bis wir einen Papst fanden, der genauso handelte, mussten wir mit dem zufrieden sein, was wir hatten.
Dieser Gedanke erinnerte mich wieder an den Grund meines Hierseins. Ich betrachtete die Stühle, die beinahe Thronen ähnelten, wo die Kardinäle bei ihren offiziellen Beratungen Platz nahmen. Sie waren zu beiden Seiten des Altars angeordnet und alle mit einem roten Baldachin gekrönt. Wenn der Papst gewählt war, erhoben sich alle mit Ausnahme des Gewählten und ließen ihren Baldachin zum Zeichen ihres Einverständnisses herab. Als Vorsitzender des Kardinalkollegiums gebührte Borgia der Platz unmittelbar neben dem Altar, was er sicher für angemessen hielt.
Er würde die Armlehnen berühren, ebenso die Schnur des Baldachins und zweifellos noch eine Menge anderer Dinge. Ich war vermutlich nicht die einzige Giftkundige, die einen Mann durch Berührung der Haut töten konnte. Da ich nicht alles untersuchen konnte, was der Kardinal anfasste, musste ich dafür sorgen, dass er ständig weiße Handschuhe trug, die von mir geprüft wurden. Ebenso musste ich sicherstellen, dass er weder etwas aß noch trank, das nicht mit meinem Siegel versehen war.
Was nicht hieß, dass er nicht trotzdem getötet wurde. Jeder Mann hatte eine verwundbare Stelle, vorausgesetzt
sein Mörder hatte Geduld und riskierte etwas, womöglich sogar sein eigenes Leben.
Wie weit würde Morozzi gehen?
Wie weit würde ich gehen?
»Gerecht ist das nicht«, sagte ich.
»Und wieso das?«, fragte Vittoro.
»Falls einer von Borgias Gegnern plötzlich stirbt, wird man auf der Stelle den Kardinal verdächtigen. So wie es geschehen wäre, wäre Innozenz unter unnatürlichen Umständen gestorben. Kein Kardinal will die höchste Macht der Kirche in den Händen eines Mannes sehen, der einen der seinen umbringt. Das würde ihn zwangsläufig von der Wahl ausschließen. Doch wenn Borgia stirbt – wen würde das von den anderen kümmern?«
»Verdammt wenige. Jedenfalls würde es nichts an ihrem Ehrgeiz ändern.«
Ich hätte vielleicht sogar einen kurzen Moment Mitleid mit Borgia gehabt, wenn ich nicht wüsste, dass es für ihn nur um seine Familie ging. La famiglia . Für sie war ihm kein Opfer zu groß. In diesem Augenblick bemerkte ich die Bahre vor dem Altar, die für die Beisetzung des Papstes bereitstand. Im Augenblick wurde sein Leichnam in mehrere ineinander gestellte Särge aus Blei, Zedernholz und Eiche gebettet. Hoffentlich würden keine unangenehmen Gerüche austreten, da die Beisetzung erst in ein paar Tagen stattfand.
»Wir wollen uns auch noch den Rest ansehen«, sagte Vittoro. Ich folgte ihm aus der Kapelle in den benachbarten großen Saal, wo die Räumlichkeiten für die Kardinäle und ihre Bediensteten errichtet wurden. Jeder Kardinal bekam
eine private Wohnung, wo er essen, trinken und sich ausruhen konnte. Oder beten, was einige vielleicht wollten. Spartanisch war die Einrichtung nicht unbedingt, aber auch nicht mit dem hemmungslosen Luxus zu vergleichen, mit dem sich die Kardinäle sonst umgaben.
»Ein kleiner Abstieg, würde ich sagen«, bemerkte Vittoro.
Dem konnte ich nur zustimmen. Ich dachte an das, was mein Vater mir erzählt hatte.
»Im dreizehnten Jahrhundert dauerte ein Konklave einmal zwei Jahre und acht Monate. Es würde vermutlich noch heute tagen, wenn die Gläubigen die Sache nicht in die Hand genommen und die Kardinäle eingeschlossen hätten, damit sie endlich zu einer Entscheidung kamen. Seitdem achtet man darauf, dass sie es nicht zu bequem haben.«
Leiden mussten die Kardinäle sicher nicht. Zwischen den Möbeln erspähte ich Nachttöpfe in Schränkchen mit gepolstertem Sitz oder Emailledosen voller Süßigkeiten und kunstvolle Salzstreuer.
Als ich die Räumlichkeiten in Augenschein nahm, die für Borgia vorgesehen waren, vollführte ich eine Handbewegung.
»Das muss alles verschwinden. Was der Kardinal benötigt, bringen wir selbst mit.«
Der Kirchenmann, der offenbar mit der Einrichtung betraut war, verzog verärgert das Gesicht, aber als Vittoro ihm einen mahnenden Blick zuwarf, schwieg er.
Ein letztes Mal kehrten wir in die Kapelle zurück. Später mussten wir besprechen, welche Männer Borgia zum Versammlungsort begleiteten – drei waren ihm gestattet – und wie der
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