Die Tochter des Giftmischers - Poole, S: Tochter des Giftmischers - Poison
wirkte.
»Aber warum? Welchen Grund kann es geben, dass er ausgerechnet jetzt nach Rom kommt?«
»Guillaume war sich nicht ganz sicher, aber nach allem, was er im Kapitelhaus gehört hat, will Torquemada erreichen, dass der neue Papst den Feldzug gegen die Juden unterstützt.«
»Also kommt er, um Borgias Sieg zu vereiteln.«
Rocco sah skeptisch drein.
»Mag sein, doch andererseits erzählt man sich, dass Ferdinand von Spanien gegen Zahlung einer ungeheuren Summe bereit gewesen sein soll, das Edikt gegen die Juden aufzuheben. Falls man den Gerüchten glauben darf, so hat Torquemada ein Kruzifix zu Boden geschleudert und den
König angeherrscht, ob er der neue Judas sei. Das genügte, um Ferdinand zum Einlenken zu bewegen und das Edikt in Kraft zu setzen.«
»Borgia ist jedoch kein Ferdinand.« Falls Torquemada der Meinung war, dass er den Kardinal durch Androhung der ewigen Verdammnis daran hindern konnte, das Geld der Juden anzunehmen, so stand ihm ein böses Erwachen bevor. Abgesehen von seinem frommen Amt führte Borgia ein eher irdisches Leben. Andere gingen sogar so weit, seinem Charakter heidnische Züge zuzuschreiben, was teilweise zutraf. Schließlich hatte er sich in seinem Jupitergewand überaus wohl gefühlt.
»Der Kardinal empfindet eine tiefe Verachtung für den Großinquisitor und allem, was er verkörpert«, versicherte ich. »Das habe ich mit eigenen Ohren gehört.« Und mehr als nur ein Mal. Borgia konnte verschwiegen sein und sich in politischen Dingen überaus geschickt verhalten, doch zu bestimmten Themen scheute er sich nicht, seine Meinung deutlich kundzutun.
»Dann habt Ihr vermutlich recht.« Rocco überlegte. »Dann will Torquemada wirklich den Sieg des Kardinals vereiteln. Und er und Morozzi haben sich wahrscheinlich längst verbündet.«
»Ich muss den Kardinal warnen.« Aber vermutlich wusste er längst Bescheid. Schließlich waren Borgias Spione erfolgreicher als die aller Päpste, Könige und Kardinäle zusammen. Borgia war unendlich stolz auf seine Verbindungen, auch wenn er sich im selben Atemzug über die hohen Kosten beklagte. Vermutlich hatte er Torquemadas Pläne bereits gekannt, bevor der Großinquisitor selbst davon wusste.
Rocco nickte, aber gleich darauf runzelte er die Stirn. »Versprecht mir, dass Ihr mehr als vorsichtig seid, Francesca. Der Großinquisitor ist ein sehr gefährlicher Gegner.«
Das musste er mir nicht sagen. Es war kaum ein Jahr her, seit der Dominikaner acht Juden und conversi angeklagt hatte, ein Christenkind gekreuzigt zu haben. Obwohl es weder einen Leichnam noch Beweise gab, dass überhaupt ein Verbrechen verübt worden war, wurden die Angeklagten zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilt und verbrannt. Der Großinquisitor nannte ihren Tod einen Sieg für Christus. Doch Christus wäre wohl eher in Tränen über das Schicksal dieser Menschen ausgebrochen.
Offenbar hatte der Großinquisitor eine Vorliebe für das Feuer und für die Qual, die es den Menschen bereitete.
»Ich werde vorsichtig sein«, versprach ich. »Aber ich kann dem Problem nicht aus dem Weg gehen.« Wir standen dicht beieinander im Hof und lauschten auf das Plätschern des Brunnens, während kleine Vögel uns umschwirrten und ab und zu einen winzigen Schluck tranken. Ein wahrhaft idyllisches Bild, das so gar nicht zu diesen unruhigen Zeiten passen wollte.
»Ich wünschte, Ihr könntet es«, sagte Rocco und zog mich an sich.
Ich merkte kaum, dass ich sein Gesicht mit beiden Händen umfasste.
»Wir können dem, was geschehen wird, nicht aus dem Weg gehen«, sagte ich. »Wir können nur hoffen, die Ereignisse in die richtige Richtung zu lenken.«
»Ich hoffe etwas ganz anderes«, sagte Rocco und küsste mich.
24
Während die ganze Stadt auf die Trauerfeierlichkeiten und die Beisetzung des verstorbenen Papstes in der Krypta unter dem Hauptaltar des Petersdoms wartete, beschloss der Kardinal, zu einem abendlichen Essen einzuladen. Wir wollen es lieber nicht als Fest bezeichnen, sondern eher als elegante Möglichkeit, weitere Stimmen zu sammeln, was nicht mehr möglich war, wenn das Konklave erst begonnen hatte.
Ich war viel zu sehr mit den Vorbereitungen beschäftigt, als dass ich lange über Roccos Kuss hätte nachsinnen können.
Vermutlich hatte er ohnehin keine Bedeutung, wie ich mir immer wieder einredete. Mehr denn je war ich überzeugt, dass Rocco eine bessere Frau verdiente. Inzwischen kannte er mich so gut, dass ich mich oft fragte, warum ihm das denn nicht selbst
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