Die Tochter des Goldsuchers
Gewehre schussbereit.
Sarah sah einen Mann aus dem Schatten in den flackernden Lichtkreis reiten. Ein Traum, dachte sie und schluchzte auf. Jetzt blickte er sie an, und schon kehrten die Kräfte in ihren Körper zurück.
Sie raffte sich auf. »Jake!«
Schon wollte sie zu ihm rennen, wurde aber zurückgerissen. Er gab kein Zeichen des Erkennens, schaute kaum in ihre Richtung, als er sein Pferd auf die Gruppe der Apachen zulenkte. Nun sprach er, doch sie verstand auch seine Worte nicht.
»Viel Zeit ist vergangen, Little Bear.«
Little Bear senkte den Lauf des Gewehrs und wartete. »Ich dachte, ich würde dich niemals wiedersehen, Gray Eyes.«
Langsam, ohne sich seinen Zorn anmerken zu lassen, stieg Jake ab. »Unsere Wege sind auseinandergegangen. Jetzt führen sie wieder zusammen.« Ruhig blickte er in ein Augenpaar, das er so gut kannte wie sein eigenes. Zwischen ihnen herrschte eine tiefe Verbundenheit, wie es sie nur selten gab. »Ich erinnere mich an ein Versprechen, das sich zwei Jungen gaben. Sie schworen bei ihrem Blut, dass sie niemals die Hand gegeneinander erheben würden.«
»Das Blutsversprechen ist nicht vergessen.« Little Bear streckte die Hand aus. Fest umfasste einer des anderen Unterarm. »Willst du essen?«
Jake nickte und nahm am Feuer Platz. Aus dem Augenwinkel sah er Sarah am Boden hocken. Sie war blass vor Angst und Erschöpfung, ihre Kleider waren zerrissen, und ihm war klar, dass sie fror. Aber wenn er sie lebend wiederhaben wollte, musste er gewisse Regeln einhalten.
»Wo ist der Rest unseres Stammes?«, erkundigte sich Jake.
»Tot. Verlaufen. Auf der Flucht.« Brütend starrte Little Bear ins Feuer. »Die Langen Messer haben uns niedergemäht wie Rehe. Die wenigen Überlebenden versteckten sich in den Bergen. Es kommen immer noch welche.«
»Crooked Arm? Straw Basket?«
»Sie leben. Im Norden, wo die Winter lang sind und das Wild rar.« Little Bear wandte den Kopf ab, und Jake spürte seinen abgrundtiefen Zorn – den er verstand. »Die Kinder lachen nicht, Gray Eyes, noch singen die Frauen.«
Am lodernden Feuer saßen sie und tauschten Erinnerungen aus an gemeinsame Erlebnisse und Menschen, die sie beide gekannt hatten. Das Band zwischen ihnen war ebenso stark wie zu jener Zeit, da Jake als Apache gelebt und gelernt hatte, sich als einer der ihren zu fühlen. Beiden war jedoch klar, dass all dies lange zurücklag.
Nach dem Essen erhob sich Jake. »Du hast meine Frau genommen, Little Bear. Ich bin gekommen, sie zurückzuholen.«
Little Bear hob die Hand, bevor der narbengesichtige Mann neben ihm sprechen konnte. »Sie ist nicht meine Gefangene, sie gehört Black Hawk. Es ist nicht an mir, sie dir zurückzugeben.«
»Dann kann unser gegenseitig gegebenes Versprechen bestehen bleiben.« Er wandte sich an Black Hawk. »Du hast mir meine Frau genommen.«
»Ich bin noch nicht fertig mit ihr.« Er legte die Hand an den Griff seines Messers. »Ich behalte sie.«
Jake hätte mit ihm handeln können. Ein Gewehr war mehr wert als eine Frau. Aber Feilschen hätte einen Gesichtsverlust für ihn bedeutet. Er hatte Sarah als seine Frau ausgegeben, und so gab es nur einen Weg, sie zurückzugewinnen.
»Wer überlebt, soll sie bekommen.« Jake legte seinen Revolvergurt ab und reichte ihn Little Bear. Es gab nur wenige Männer, denen er seine Waffen anvertraut hätte. »Ich will mit ihr reden.« Er ging zu Sarah hinüber und kniete neben ihr nieder, während Black Hawk in Vorbereitung des Kampfes zu singen anfing.
»Ich hoffe, es hat Ihnen geschmeckt«, sagte sie unter Schluchzen. »Anfangs hatte ich doch tatsächlich geglaubt, Sie wären zu meiner Rettung gekommen.«
»Ich arbeite noch daran.«
»Ja, das konnte ich sehen. Am Feuer sitzen, essen, Geschichten erzählen. Wie heldenhaft.«
Er lachte. Dann zog er sie unvermittelt an sich und küsste sie leidenschaftlich. »Du bist schon ein prächtiges Weib, Sarah. Halt nur noch ein wenig aus. Ich werde sehen, was sich machen lässt.«
»Bring mich nach Haus.« Ihr Stolz war dahin. Sie krallte sich an Jakes Hemd. »Bitte, bring mich nur nach Haus.«
»Das werde ich.« Er drückte ihre Hände und löste sie gleichzeitig von seinem Hemd. Jetzt stand er auf, und auch er begann zu singen.
Seite an Seite standen die Gegner im Feuerschein. Der Jüngste der Krieger band nun ihre linken Handgelenke zusammen. Das Funkeln der Messer ließ Sarah aufspringen.
Little Bear schloss seine Hand um ihren Arm. »Du kannst sie nicht aufhalten«, sagte er
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