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Die Tochter des Goldsuchers

Die Tochter des Goldsuchers

Titel: Die Tochter des Goldsuchers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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können. Aber das war er natürlich nicht. Sie wussten es, und er wusste es. Wie John sagte, ist es nicht leicht, weder das eine noch das andere zu sein. Ich habe mich oft gefragt, was wohl geworden wäre, wenn Quiet Water und ich Kinder gehabt hätten.«
    »Was geschah mit ihr, Lucius?«
    »Ich war unterwegs auf Goldsuche.« Mit zusammengekniffenen Augen starrte er in die Ferne. »Ein Regiment kam eines frühen Morgens durchgeritten. Irgendein Siedler behauptete, sein Vieh sei gestohlen worden, und die Apachen seien es gewesen. Das kam den Soldaten gerade recht, sie hatten es sowieso auf die Indianer abgesehen und hassten sie. Die Weißen haben alles niedergemacht und die Leute getötet außer ein paar wenigen, die sich in die Berge retten konnten.«
    »Oh Lucius, wie grausam!« Betroffen nahm sie seine Hände.
    »Als ich zurückkam, war alles vorbei. Ich muss dann völlig durchgedreht sein, ritt tagelang ziellos durch die Gegend. Vielleicht hoffte ich, jemandem zu begegnen, der kurzen Prozess mit mir macht. Endlich ritt ich zu den Redmans. Denen hatten sie das Dach über dem Kopf angezündet.«
    »Großer Gott!«
    »Nur verkohlte Holzbalken und Asche waren noch übrig geblieben.«
    »Wie schrecklich.« Ihre Hände krampften sich um seine. »Oh Lucius, das waren doch nicht etwa die Soldaten?«
    »Nein. Jedenfalls trugen sie keine Uniform. Anscheinend waren es Männer aus der Stadt, Betrunkene, denen es in ihrem Rausch plötzlich eingefallen war, dass sie in ihrer Nähe kein Halbblut dulden wollten. Wie ich schon sagte, waren John und seine Frau auch vorher schon angefeindet worden, aber da war es bei Beschimpfungen und Drohungen geblieben. Danach brannten sie die Scheune nieder und führten sich wie die Wilden auf, irgendwann fing einer an zu schießen. Später zündeten sie das Wohnhaus an. Als sie wegritten, war alles dem Erdboden gleichgemacht und das Ehepaar tot. Jake hatten sie verschont.«
    Sarahs Augen wurden groß und dunkel vor Entsetzen. »Jake … er muss damals ein kleiner Junge gewesen sein.«
    »Dreizehn, schätze ich. Ich fand ihn, wo er seine Eltern begraben hatte. Er saß zwischen den beiden Gräbern, das Jagdmesser seines Vaters in der Hand. Das hat er heute noch.«
    Sarah kannte das Messer. Damit hatte er um sie gekämpft. »Was muss er damals für Angst ausgestanden haben!«
    »Nein, Ma’am. Ich glaube nicht, dass Angst das richtige Wort ist. Er sang wie in Trance, wie das Indianer manchmal tun. Einen Kriegsgesang. Er hatte vor, in die Stadt zu gehen und die Männer zu finden, die seine Eltern ermordet hatten.«
    »Aber du sagtest doch, er war erst dreizehn.«
    »Ja, das sagte ich. Es gelang mir, es ihm erst einmal auszureden, bis er besser schießen gelernt hätte. Er lernte schnell. Ich kenne keinen, der wie Jake mit einem Revolver umgehen kann.«
    »Hat er sie dann später … gefunden?«, fragte Sarah.
    »Ehrlich, ich weiß es nicht. Ich hab ihn nie gefragt. Ich hielt es für das Beste, erst mal mit ihm wegzugehen, bis er ein paar Jahre zugelegt hatte. Wir zogen nach Süden. Ich wusste nicht, was ich für ihn noch hätte tun können. Nachdem ich ihm ein Pferd gekauft hatte, ritten wir eine Weile zusammen. Ich fürchtete immer, er würde sich mit irgendwelchen üblen Subjekten zusammentun, aber Jake war nie ein Mensch, der sich anderen anschließt. Er war etwa sechzehn, als wir uns trennten. Ab und zu hörte ich von ihm. Vor einigen Monaten kam er dann nach Lone Bluff.«
    »Auf solche Weise alles zu verlieren …« Tränen rannen ihre Wange herab. »Ein Wunder, dass er nicht voller Hass steckt.«
    »Hass steckt schon in ihm, aber man merkt es ihm nicht an. Was mich angeht, so greife ich hin und wieder zur Flasche. Bei Jake sitzt’s hier oben.« Er tippte sich an die Schläfe. »Dieser Bursche versteckt mehr da drinnen, als ein normaler Mensch ertragen kann. Wenn er das jemals herauslässt, dann wehe dem, der sich ihm in den Weg stellt.«
    Sie verstand, was Lucius meinte. Hatte sie nicht auch gesehen, wie dieser gefährliche Ausdruck in seine Augen getreten war?
    »Du magst ihn, nicht wahr, Lucius?«
    »Ja, ich habe was übrig für den Burschen.« Lucius warf ihr einen kurzen Blick zu. »Sie auch, wenn mich nicht alles täuscht.«
    »Ich weiß nicht, was ich für ihn empfinde.« Das war eine glatte Lüge. Denn sie wusste genau, was sie fühlte. Zwar war er nicht der Mann, von dem sie früher einmal geträumt hatte, aber er war der einzige Mann, den sie jemals lieben würde. »Es ist egal, was

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