Die Tochter des Goldsuchers
Ich bin ein ausgezeichneter Tänzer, betrunken wie nüchtern.«
»Vielleicht versuchst du’s heute Abend mal nüchtern.«
Jake sah Sarah in der Stadt ankommen. Er saß am Fenster, rauchte und sah den Cowboys zu, die durch die Straße galoppierten, die Hüte schwenkten, mit ihren Revolvern in die Luft ballerten und johlten.
Unabhängigkeitstag, dachte er. Die meisten dieser Leute glaubten, sie hätten ein Recht auf ihre Freiheit und auf das Land, das sie beanspruchten. Er hatte sich damit abgefunden, dass solche Menschen das Arizona-Territorium und schließlich auch den ganzen übrigen Westen in Besitz nehmen würden. Little Bear und seine Brüder konnten die Invasion nicht mehr aufhalten.
Er jedoch gehörte weder zu den Siegern noch zu den Besiegten. Vielleicht hatte er deshalb nie versucht, sesshaft zu werden – nicht, seit er verlor, was sein Vater versucht hatte aufzubauen. Besser war es, sich auf das zu beschränken, was er auf dem Pferderücken davontragen konnte.
Die Stadt war voller Menschen. Die meisten Vieharbeiter würden sich betrinken und dann eher aufeinander schießen als auf die Scheiben, die Mr Cody für das Wettschießen aufgestellt hatte. Jake kümmerte das nicht. Er saß an seinem Fenster und beobachtete das Treiben.
Jetzt bemerkte er Sarah, und es tat weh, sie wiederzusehen. Der Klang ihres Lachens drang zu ihm herauf. Bevor seine Sehnsucht übermächtig werden konnte, wandte er den Blick ab.
Gleich jedoch schaute er wieder hinunter. Sie stieg vom Wagen. Nun lachte sie wieder, als Liza aus dem Laden ihres Vaters zu ihr eilte. Sie wirbelte vor Liza im Kreis herum. Und er konnte sie von allen Seiten bewundern: die weiße Haut ihres Halses, die Wölbung ihrer hohen, festen Brüste, die schlanke Taille, die leuchtenden Augen. Die Zigarettenglut verbrannte ihm die Finger. Er fluchte. Aber er konnte den Blick nicht abwenden.
»Willst du den ganzen Tag da sitzen, oder gehst du jetzt mit mir hinunter, wie du es versprochen hast?« Maggie trat ins Zimmer, die Fäuste in die Hüften gestemmt.
»Ich habe dir niemals etwas versprochen.«
»Doch, du hast es mir versprochen in der Nacht, in der du so betrunken nach Hause kamst, dass du dich nicht mehr auf den Beinen halten konntest und ich dich ins Bett bringen musste.«
Ja, er erinnerte sich an die Nacht, eine Woche, nachdem er Sarah aus den Bergen zurückgeholt hatte. Eine Woche lang hatte er Abend für Abend im »Silver Star« verbracht und versucht, genügend Interesse aufzubringen, um sich mit Carlotta oder einer der anderen Frauen zu vergnügen. Trinken war einfacher gewesen, aber so berauscht wie in jener Nacht war er noch nie gewesen und wollte es auch nie wieder sein.
»Ich hätte mein Bett sehr gut auch allein gefunden«, murmelte Jake.
»Du konntest nicht mal die Treppe hinaufkriechen. Führst du mich jetzt also aus, oder hast du mir nur etwas vorgemacht?«
Missmutig verließ Jake seinen Fensterplatz. »Nichts ist schlimmer als ein herumnörgelndes Weib.«
Maggie lächelte nur und reichte ihm seinen Hut.
Kaum waren sie aus der Pension getreten, kam der kleine John Cody auf Jake zugeschossen. »Mr Redman, Mr Redman! Ich habe auf Sie gewartet.«
»Ja?« Er zog dem Knaben die Mütze über die Augen. »Warum denn das?«
Johnny strahlte, erfreut über Jakes Aufmerksamkeit. »Mein Vater veranstaltet ein Wettschießen. Der Sieger bekommt eine nagelneue rote Satteldecke. Du gewinnst doch, oder?«
»Hab noch gar nicht drüber nachgedacht.«
»Wieso denn nicht? Keiner schießt besser als du. Und die Decke ist wirklich sehr hübsch.«
»Na los, Jake.« Maggie gab ihm einen Klaps auf den Arm. »Der Junge zählt auf dich.«
»Ich schieße nicht zum Spaß.« Jake wollte weitergehen, dann aber sah er Johnnys enttäuschtes Gesicht. »Eine rote Decke, sagst du?«
Sofort leuchteten die Augen des Jungen wieder auf. »Ja, Sir! Die schönste, die ich je gesehen habe.«
»Na, dann schauen wir mal, was sich machen lässt.« Schon fasste Johnny Jake an der Hand und zog ihn über die Straße.
Hinter seinem Laden hatte Mr Cody leere Flaschen und Dosen aufgebaut. Jeder Teilnehmer musste sich hinter einem in den Sand gezogenen Strich aufstellen und durfte sechsmal schießen. Am Boden lagen bereits eine Menge Glasscherben.
»Die Teilnehmergebühr beträgt fünfundzwanzig Cent«, sagte Johnny. »Ich kann dir zehn leihen, falls du knapp mit dem Geld bist.«
Jake schaute auf die Münze, die ihm der Junge anbot. Gerührt sagte er: »Danke, aber ich
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