Die Tochter des Hauslehrers (German Edition)
Phillips Stimme die Treppe hinauf: »Lizzie? Kommst du?«
Und da kam er auch schon die Treppe hoch. »Da bist du ja!«
Sein Blick fiel auf Emma. »Oh … und Miss Smallwood. Perfekt. Mutter möchte unbedingt eine Partie Whist spielen. Möchten Sie die Vierte im Bunde sein?«
Emma öffnete den Mund, doch dann zögerte sie. Hatte Phillip sie wirklich fragen wollen oder fühlte er sich nur dazu verpflichtet, weil sie zufällig da war? Bis jetzt war sie immer gern mit ihrem altenFreund zusammen gewesen, doch im Moment hatte sie wenig Lust dazu, zum Teil, weil Lady Weston sie immer noch einschüchterte, zum Teil aber auch, weil sie ihr Treffen mit Henry nicht verpassen wollte. Und eine Partie Whist würde länger dauern als eine halbe Stunde.
»Danke, Phillip, aber ich kann nicht. Geht ihr beiden ruhig. Julian und Rowan sind sicher gern bereit mitzuspielen.«
Zwischen Phillips Brauen erschien eine Falte. »Sie sind noch im Schulzimmer.«
»Ach ja, richtig. Nun, ich wollte auch gerade hinaufgehen. Ich sehe nach, ob sie für heute fertig sind, und schicke sie dann gleich hinunter.«
Das war keine Lüge. Sie war tatsächlich auf dem Weg ins Schulzimmer, allerdings wollte sie nur kurz nach ihrem Vater sehen, bevor sie sich mit Henry traf.
Lizzie beobachtete sie immer noch; in ihren Augen glomm so etwas wie ein Verdacht auf. »Vielleicht sollte ich mit dir mitkommen«, begann sie, »es sei denn … du möchtest es nicht?«
Emma zwang sich zu einem Lächeln. Sie wusste, wenn sie Lizzies Vorschlag ablehnte, würde deren Verdacht nur bestärkt werden. »Du kannst gern mitkommen. Aber ich dachte, du findest Schulzimmer schrecklich langweilig?«
Lizzie sagte: »Das stimmt. Aber Julian wird sich freuen, mich zu sehen. Rowan natürlich auch, wenn er nicht gerade schlechte Laune hat, wie so oft.«
»Wie du willst«, sagte Emma, eifrig bemüht, ihre Enttäuschung zu verbergen. Sie war über sich selbst überrascht, weil sie nichts von ihrem Rendezvous erzählen wollte. Schließlich hatten weder Lizzie noch Phillip bisher besonderes Interesse an dem wiedergefundenen Familienmitglied gezeigt.
Emma drehte sich um und begann, die Treppe hinaufzusteigen. Lizzie folgte ihr.
Phillip rief hinter ihr her: »Nicht so lange, Lizzie. Du weißt doch, dass Mutter böse ist, wenn man sie warten lässt.«
»Ja, ich weiß«, rief Lizzie zurück.
Dann stieg sie mit Emma die vielen Stufen zum Schulzimmer hinauf und plauderte dabei über einen neuen Paisleyschal, den Lady Weston für sie bestellt hatte.
Emma hörte ihr kaum zu, weil sie fieberhaft überlegte, wie sie ihr entkommen und sich wie verabredet mit Henry treffen konnte.
Oben betraten sie leise das Schulzimmer. Julian und Rowan saßen an einer Arbeit.
Julian drehte sich um und lächelte Lizzie an.
»Schhhh!«, zischte Mr Smallwood von seinem Schreibtisch aus. »Julian und Rowan müssen zuerst ihre Aufsätze beenden.«
Emma nickte und führte Lizzie zu einem der Schränke. Sie flüsterte: »Lizzie, ich muss diese alten Lehrbücher auf den Dachboden hinaufschaffen; da du schon einmal da bist, kannst du mir eigentlich dabei helfen.«
Lizzie rümpfte die Nase. »Nein, danke.«
Rowan blickte zu ihnen hinüber, während er seine Feder ins Tintenfass tauchte. »Lizzie verabscheut alles, was auch nur entfernt an Arbeit erinnert, Miss Smallwood.«
»Warum sollte sie das auch nicht?«, verteidigte Julian sie. »Eine junge Dame wie sie, die eines Tages einen Gentleman heiraten wird. Die einzige Arbeit, die sie je tun wird, sind Näharbeiten.«
Lizzie zog ein feines Taschentuch heraus und berührte damit ihre kleine Nase. »Ich würde dir gern helfen, Emma, aber du hast ja gehört, was Phillip gesagt hat. Lady Weston möchte Whist spielen.« Sie wandte sich an die Jungen. »Miss Smallwood weigert sich, uns den Gefallen zu tun und mitzuspielen, deshalb wird einer von euch herunterkommen müssen, sobald ihr fertig seid.«
»Ich komme jetzt gleich mit«, schlug Julian vor.
»Ähm – Mr Weston?«, unterbrach ihn ihr Vater. »Sie sind schon fertig mit Ihrem Aufsatz?«
Julian tauchte seine Feder ein und schrieb in großzügigen Buchstaben und Schnörkeln das Wort Ende unter seinen Text. Dann feixte er: »Jetzt ja.«
Emma, die Julian kannte, wusste, dass er in der Zeit, die Rowan brauchte, wahrscheinlich zwei Aufsätze geschrieben hatte, doch sein Benehmen missfiel ihr sehr. Er hatte keinen Respekt vor ihrem Vater. Dennoch sagte sie nichts. Es war nicht ihre Aufgabe, hier
Weitere Kostenlose Bücher