Die Tochter des Hauslehrers (German Edition)
Ähnliches. Es war ein Geschenk.«
Emma meinte: »Ich glaube, es war ein sehr beliebter Duft, den es praktisch überall zu kaufen gab.«
Lizzie starrte das Fläschchen mit der gelbgrünen Flüssigkeit an. Dann fragte sie ruhig: »Hat Phillip dir das geschenkt?«
Emma zögerte. Sie wollte nicht lügen, aber sie wollte auch nicht, dass Lizzie einen falschen Eindruck bekam. »Ja, aber nur als Abschiedsgeschenk. Ein Zeichen seiner Freundschaft, weiter nichts.«
»Ja«, murmelte Lizzie mit abwesendem Blick. »Phillip denkt immer an so was …«
Emma fügte hinzu: »Natürlich trage ich kein Parfum, du hast mir ja gesagt, dass Lady Westons Nase es nicht verträgt.«
Lizzie nickte, den Blick noch immer auf das Fläschchen geheftet. »Ja. Man muss aufpassen, was man tut, unter dieser Nase.«
17
Dies ist die Zeit, euer ist die Stunde, begeistert euch am Duft
der bunten Blume des Lernens …
John Fenn, Lehrer, 1843
Am nächsten Tag – ihr Vater behandelte im Unterricht gerade Homer – fiel Emma auf, dass Julian und Rowan immer wieder zu ihr hinüberblickten. Aber auch sie konnte sich nicht konzentrieren. Sie überlegte die ganze Zeit, was sie Adam noch mitbringen konnte. Es sollte mehrere Zwecke erfüllen: Er sollte sich damit die Zeit vertreiben können und ihr sollte es helfen, eine Beziehung zu ihm aufzubauen und herauszufinden, welche Interessen und Fähigkeiten er hatte. Sie wusste, dass er gerne las; vielleicht gefiel ihm ja etwas von den Büchern, die sie mitgebracht hatte.
Sie stand auf und fuhr mit den Fingern über die Buchrücken der Werke, die sie im Schulzimmer aufbewahrte. Ein schmales Bändchen fiel ihr ins Auge. Es war das erst kürzlich veröffentlichte Tagebuch eines Soldaten, der unter Lord Wellington im Spanischen Unabhängigkeitskrieg gedient hatte. Sie hatte es gelesen, weil ihr die Beschreibungen von Spanien und Portugal gefielen; Adam fand die Schlachtberichte wahrscheinlich interessanter.
Doch dann dachte sie an die Anfälle, die er immer wieder erlitt und bei denen er sich oft heftig gegen den Kopf schlug. Ob seine Aggression sich während dieser Anfälle auch gegen Gegenstände richtete? Sie würde Henry fragen müssen; bis dahin würde sie ihm lieber erst einmal kein Buch geben.
Dann fiel ihr das Schachspiel mit der fehlenden Königin ein. Beim Auswischen der Schränke im Schulzimmer hatte sie ein Schachspiel aus Marmor und Elfenbein gefunden, ganz staubig, weil es so langenicht benutzt worden war. Sie überlegte, ob sie ihm das ganze Spiel mitbringen sollte, doch das dicke Marmorbrett und die stabilen Elfenbeinfiguren waren ziemlich schwer. Außerdem war sie nicht sicher, ob die Familie es guthieß, wenn sie so wertvolle Dinge durchs Haus schleppte. Also beschloss sie, sich stattdessen nur die weiße Königin zu borgen, um ihr eigenes Schachspiel vorübergehend zu vervollständigen. Sie hinterließ eine sauber geschriebene Notiz im Schrank, in der sie erklärte, wo das geborgte Stück sich befand, und versprach, es zurückzubringen. Einen Königinnen-Schuldschein.
Dann – die Vorfreude ließ ihr keine Ruhe mehr – entschuldigte sie sich, steckte die Königin ein und verließ das Zimmer. Als Erstes suchte sie ihr eigenes Zimmer auf, um ihr Schachspiel zu holen, dann begab sie sich zum Zimmer von Adam.
Dort angekommen klopfte sie. Als sie eine zögernde Antwort hörte, stieß sie die Tür mit dem Schachbrett in der Hand vorsichtig ein Stückchen auf. Adam saß im Lehnsessel und las.
Sie ging durch das Zimmer, setzte das Spiel auf dem Tisch ab und fing an, die weißen Figuren aufzustellen. Adam trat zu ihr und sah ihr interessiert zu. Dabei fiel ihm sogleich die nicht passende Königin auf. Er nahm sie und stellte sie beiseite.
»Tut mir leid, Adam, aber wir brauchen sie.«
Er schüttelte den Kopf. »Passt nicht.«
»Ich weiß. Aber die ursprüngliche Königin ist leider verloren gegangen.«
Adam setzte sich auf den Stuhl ihr gegenüber und fing an, die schwarzen Figuren zu sammeln. Vielleicht konnte er schon Schach spielen? Vielleicht war Mr Hobbes ein ebenso begeisterter Schachspieler wie »Stäbchen«-Spieler gewesen – doch sie bezweifelte es.
Sie beobachtete, wie Adam zielgerichtet jede einzelne Figur nahm und mit den zu ihr passenden zusammen aufstellte. Einen Bauern zu den anderen Bauern. Zwei Türme. Zwei Springer. Den König und die Königin. Doch er stellte sie nicht den Regeln entsprechend auf, sondern ordnete die acht Bauern in zwei Reihen zu je vier, flankiert
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