Die Tochter des Hauslehrers (German Edition)
Verfassung vor, als sie erwartet hatte. Er sagte ihr, dass er ein langes Gespräch mit Sir Giles geführt habe und froh sei, ihr sagen zu können, dass der Vorfall am Turm sich weitgehend aufgeklärt habe und sie nicht entlassen würden, jedenfalls nicht in naher Zukunft. Sir Giles hatte ihm auch von seinem ältesten Sohn, Adam, erzählt, in der Annahme, dass Miss Smallwood Gerüchte, wenn nicht sogar schon die ganze Geschichte gehört habe. Ihr Vater gestand ihr, dass es ihn schockiert habe, von einem weiteren Weston zu erfahren, äußerte jedoch Verständnis dafür, angesichts der Umstände bisher nichts von diesem erfahren zu haben.
Emma, verletzt angesichts dieser Worte über Adam, verbiss sich die Erwiderung, die ihr auf den Lippen brannte, und rief sich insGedächtnis, wie lange es gang und gäbe gewesen war, jedes nicht ganz perfekte Familienmitglied geheim zu halten.
Als ihnen der Gesprächsstoff ausging, schlug ihr Vater vor, eine Partie Schach zusammen zu spielen. Emma musste gestehen, dass sie ihr Spiel Adam gegeben hatte und gerade von einer Partie mit ihm kam.
»Aber er würde bestimmt gerne noch ein Spiel spielen, Papa. Soll ich dich in sein Zimmer bringen und dich ihm vorstellen?«
Ihr Vater zögerte. »Danke, meine Liebe. Ich würde ihn schon gern kennenlernen, aber … ich weiß ja, dass meine Gastgeber anders darüber denken. Ich möchte sie nicht kränken.«
Sie schnaubte. »Nun gut, Papa. Aber du verpasst etwas.«
Er blickte auf, verwundert über ihren scharfen Ton. »Emma.« Verletzt sah er sie an.
Sie seufzte, fühlte sich plötzlich schuldig. »Es ist doch nur, weil ich weiß, wie gut du mit ihm zurechtkämst, Papa. Adam ist der gutartigste junge Mann, den ich kenne. Er ist sehr talentiert und auch schon ein sehr guter Schachspieler, obwohl er das Spiel erst vor Kurzem gelernt hat.«
»Tatsächlich?«, fragte ihr Vater beeindruckt, ließ sich aber trotzdem nicht überreden, Adam kennenzulernen.
Sie war enttäuscht, das konnte sie nicht abstreiten, aber sie würde es natürlich niemals aussprechen. Nicht, nachdem es ihm so viel besser ging.
Sie unterdrückte den Wunsch, in einem Anfall von Groll einfach hinauszugehen, riss sich zusammen und schlug ihm eine Partie Backgammon vor.
Sie sahen sich in die Augen – Entschuldigung und Vergebung in wortlosem Verstehen, wie es aus langer, tiefer Vertrautheit erwächst.
»Backgammon?«, fragte er und der Funke der Verletztheit in seinen Augen verwandelte sich in Interesse. »So gefällst du mir.«
Sie lächelte und heuchelte Begeisterung, obwohl ihr wenig an dem Spiel lag. Manchmal tat man so etwas für die Menschen, die man liebte.
In dieser Nacht fuhr Henry plötzlich aus dem Schlaf hoch.
Irgendjemand beugte sich über sein Bett und wiederholte immer wieder: »Henry? Henry? Henry?«
Henry hatte geträumt und brauchte ein paar Sekunden, um zu begreifen, dass es Adam war, der sich da über ihn beugte. Durch die Fenster schien der Mond und tauchte das blasse Gesicht und die weit aufgerissenen Augen seines Bruders in helles Licht.
»Was ist denn?« Henry setzte sich auf und schwang die Beine aus dem Bett. »Was ist passiert?«
»Emma.«
Das ging wie ein Stich durch Henrys Herz. »Emma? Was ist passiert? Geht es ihr gut?«
Adam schüttelte ernst den Kopf.
Henry sprang auf, griff nach seinem Morgenmantel und ging zur Tür. »Wo ist sie?«
Adam ließ den Kopf sinken; er war verlegen. Vielleicht erinnerte er sich daran, dass Henry ihm gesagt hatte, er dürfe nicht in anderer Leute Schlafzimmer gehen, vor allem nicht bei Nacht.
»In ihrem Zimmer?«, fragte Henry.
Adam nickte.
»Ist sie krank?«
Adam antwortete nicht, sondern folgte Henry, als dieser den Flur entlang- und die Treppe hinauflief. Auf dem Absatz griff er nach dem Kerzenleuchter, der dort stand, ohne dabei eine Stufe zu verfehlen.
Sein Magen zog sich schmerzhaft zusammen. Gott, lass es ihr gut gehen! Er hatte so sehr gehofft, dass all die seltsamen Verdachtsmomente, die ihm durch den Kopf gingen, falsch waren. Überdreht. Ganz bestimmt würde ihr niemand etwas antun. Nicht, weil sie eine Alarmglocke geläutet hatte. Nicht aus Rache für einen einzigen Schlag … Ganz bestimmt nicht. Aber vielleicht aus Rache für den Verlust einer wertvollen Fracht aus einem Schiffsunglück? Ein Schauer lief ihm über den Rücken. Bitte, Gott, nein .
Als sie ihr Zimmer erreichten, sah Henry, dass Adam die Tür offen gelassen hatte – es sei denn, jemand war hier gewesen, während Adam
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