Die Tochter des Hauslehrers (German Edition)
platzte ungläubig heraus: »Verliebt? Du bist in Lizzie Henshaw verliebt? Du willst sie heiraten? Davon will ich nichts mehr hören!«
Emma verdaute auch diese Eröffnung. Julian war also der jüngere Bruder, dem Lizzie sich versprochen hatte – und nicht Phillip, wie sie zuerst gedacht hatte. Emma nahm an, dass Julian nicht ganz zwei Jahre jünger war als Lizzie, aber er hatte stets noch jünger gewirkt – bis heute. Was zwischen fünfzehn und siebzehn wie eine riesige Kluft wirkte, war zwischen dreißig und zweiunddreißig wahrscheinlich eine Bagatelle, kaum der Rede wert.
Lizzie schniefte. »Das ist mir sehr recht, Lady Weston. Ich liebe Julian sowieso nicht. Ein anderer Weston hat mein Herz erobert.«
Lady Weston wandte sich zornig zu ihr um. »Dein Herz? Ich glaube nicht, dass du überhaupt ein Herz hast, du kleine Mitgiftjägerin! Denkst du, ich lasse es zu, dass ein Weston dich heiratet – dich, die Tochter eines Niemands, Stieftochter eines Diebs? Wie kannst du es wagen, so etwas auch nur zu denken? Die Westons werden junge Damen aus gutem Stand und mit guter Erziehung heiraten.«
»Das hat er zu entscheiden, nicht du«, beharrte Lizzie, wandte den Blick ab und tat, als beschäftige sie sich mit dem Kerzenhalter.
Lizzies frühere Worte gingen Emma durch den Kopf. »Ich habe mich hoffnungslos in einen älteren Mr Weston verliebt.« Und als Emma gefragt hatte, ob dieser ältere Bruder ihre Zuneigung erwidere, hatte Lizzie gesagt: »Ich glaube schon. Oh, ich hoffe es so sehr.«
Lizzie liebte also Phillip. Nicht Henry. Doch diese Erkenntnis brachte ihr wenig Trost. Es war dumm gewesen, dass sie das überhaupt angenommen hatte. Ein Mann wie Henry Weston würde eine Lizzie Henshaw ebenso wenig heiraten wie sie, Emma Smallwood.
Die Sekunden verstrichen, doch Phillip machte keine Anstalten zu verkünden, dass er Lizzie liebte. Hatte das Mädchen seine Gefühle missverstanden? Oder hatte Phillip Scheu davor, sich in der Gegenwart von Lady Weston oder auch von Emma zu offenbaren, nachdem er zugelassen hatte, dass die anderen – und auch Emma selbst – glaubten, er hätte ein romantisches Interesse an ihr?
Sie zupfte ihren Vater am Ärmel. Ihrer beider Augen trafen sich in stillem Einverständnis.
John Smallwood erhob sich, straffte sich und sprach mit beeindruckender Festigkeit. »Sie entschuldigen uns bitte. Das sind Familienangelegenheiten, in die wir ungern verwickelt sein möchten. Angesichts dessen, was Emma heute erlebt hat, halte ich es ohnehin für das Beste, wenn wir heute noch abreisen.« Er reichte Emma die Hand und half ihr aufzustehen.
Sir Giles stammelte einen Protest, doch Mr Smallwood hob die Hand.
»Nein, Sir Giles. Ich möchte nicht bleiben und habe meine Tochter schon viel zu lange allen möglichen Gefahren und Schmähungen ausgesetzt.« John Smallwoods sonst oft so schwacher, unterwürfiger Tonfall war nicht mehr wiederzuerkennen. »Wenn einer von uns benötigt wird, um auszusagen oder ein schriftliches Zeugnis abzulegen, benachrichtigen Sie uns hoffentlich.«
Sir Giles biss sich erneut auf seine bereits sehr malträtierten Lippen, dann räusperte er sich. »Ich bitte Sie um Nachsicht, lieber Freund. Gestatten Sie mir, diese Angelegenheit auf meine Weise zu erledigen, ohne sie vor Gericht zu bringen? Seien Sie versichert, Julian wird die Folgen seines Tuns zu tragen haben. Aber ich möchte nicht, dass der Ruf meiner anderen Söhne unter seinem Verhalten leidet.«
Mr Smallwood dachte nach. Er sah Emma an, diese nickte.
»Gut«, sagte ihr Vater. »Sie können sich auf unsere Diskretion verlassen. Dürfen wir Sie derweil bitten, uns eine Kutsche zur Verfügung zu stellen, die uns gleich morgen früh ins Dorf bringt? Vorausgesetzt natürlich, Sie können noch eine Nacht für die Sicherheit meiner Tochter garantieren. Oder sollen wir noch heute Abend abreisen?«
Emma war einverstanden, Julian nicht anzuzeigen, doch sie bezweifelte, dass sie wieder gut schlafen würde, bevor sie eine größere Entfernung zwischen sich und ihn gebracht hatte.
»Selbstverständlich«, sagte Sir Giles voll Bedauern und Fürsorge.»Ich garantiere persönlich dafür, dass Julian keinen Ärger mehr machen wird. Ich werde eine Wache vor seinem Zimmer aufstellen, damit er kein Unheil mehr anrichten kann. Morgen werde ich dann entscheiden, wie wir mit ihm verfahren.«
Julian schnaubte: »Ach wirklich, Vater, ich glaube kaum, dass das nötig sein wird.« Er sah Lady Weston an. »Mama, sag es ihm.«
Doch Lady
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