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Die Tochter des Hauslehrers (German Edition)

Die Tochter des Hauslehrers (German Edition)

Titel: Die Tochter des Hauslehrers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Klassen
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du ihm nicht und fragst ihn?«
    »Damit Mrs Farley meinen Brief liest? Und Mr Farley in die Verlegenheit kommt, den Brief von einer anderen Frau erklären zu müssen? Nein.«
    Jane schwieg einen Moment, dann fragte sie sanft: »Erzählst du mir, was in Cornwall geschehen ist?«
    Und so erzählte Emma ihrer Tante in aller Kürze von Julians Missetaten und davon, was in der Kapelle passiert war.
    Ihre Tante reagierte mit der zu erwartenden Bestürzung und vielen Fragen, die Emma beantwortete, so gut sie konnte. Schließlich schwieg Jane, fürs Erste zufriedengestellt. Emma fühlte sich völlig ausgelaugt, müder denn je.
    Sie hatte ihrer Tante nicht gesagt, was zwischen ihr und Henry vorgefallen war. Sie war noch nicht bereit, einem anderen Menschen von den Worten und Umarmungen zu erzählen, von denen nur sie beide wussten. Sie waren ihr Geheimnis, ihr Brief von einem Bewunderer, den sie aufbewahrte für kalte Abende in der Zukunft, wenn sie eine alte Jungfer sein würde, um ihre gebrechlichen Glieder an der Vergangenheit zu wärmen.
    Ihre Tante schwieg mehrere Minuten und Emma dachte schon, sie sei eingeschlafen. Doch plötzlich drehte Tante Jane sich auf die Seite, sodass ihr Gesicht von Emma abgewandt war.
    »Ich habe Henry Weston immer gemocht«, murmelte sie gähnend. »Mehr als Phillip, ehrlich gesagt.«
    Hatte ihre Tante ihre Gefühle für Henry erraten? Jedenfalls kannte sie sie gut genug, um etwas zu vermuten. Emma sagte nur: »Tatsächlich?«
    »Mm-hm.«
    Emma hatte das schon früher gehört, aber es war schön, es noch einmal zu hören. Denn Emma mochte Henry Weston ebenfalls – auch wenn es vergebens war.

    Am nächsten Morgen half Tante Janes Mädchen Emma beim Ankleiden.
    »Wo ist denn meine Tante?«, fragte Emma beiläufig, während Jenny ihr Kleid schloss, das auf dem Rücken geknöpft wurde.
    »Schon unten, bei der Arbeit, Miss.«
    Unten ? Emmas Neugier war geweckt. »Was arbeitet sie denn?«
    Das Mädchen lächelte. »Das sehen Sie sich am besten selbst an.«
    Emma ging nach unten, durch die Diele und die Hintertreppe hinunter in die Küche. Sie fand ihre Tante in der kleinen Spülküche, die Arme bis zu den Ellbogen in Seifenwasser. Auf dem Abtropftisch waren rosa-weiße Porzellanteller, Tassen und Untertassen aufgestapelt.
    Emma lachte. »Was ist denn in dich gefahren?«
    »Das könnte ich dich auch fragen.« Jane blinzelte ihr zu. »Hilfst du mir jetzt oder nicht?«
    Emma krempelte die Ärmel hoch und stürzte sich in die Arbeit.
    Am Nachmittag schaute Emma die Bücher durch, die sie ihrer Tante zur Aufbewahrung gegeben hatte, als sie und ihr Vater nach Ebbington Manor abgereist waren. Dabei stieß sie auf einen Band über historische Schlachten, den sie Adam schicken wollte.
    Während sie sichtete und sortierte, legte sie einen großen Stapel Bücher beiseite, die sie nicht mehr brauchte. Sie staubte sie ab, packte sie ein und bat ihren Vater, sie zum Pfarrhaus zu bringen und zu fragen, ob der Pfarrer sie vielleicht brauchen konnte oder ob er ein paar arme Kinder wusste, die keine Bücher hatten. Ihr Vater war sicher, dass Mr Lewis Verwendung dafür hatte.
    Zufrieden drehte Emma sich um und sah, wie Tante Jane sie anstarrte, die Hände in die Hüften gestemmt, die Augen nachdenklich zusammengekniffen. »Wer sind Sie, Miss, und wo ist meine Büchernärrin von Nichte, die nach Cornwall gefahren ist?«
    Emma lächelte und schlug spielerisch mit dem Staubtuch nach ihr.
    Doch ihre Tante scherzte nicht. Jane fragte ernst: »Du hast dich so verändert, Emma. Liegt es daran, dass du dachtest, du müsstest sterben?«
    Emma überlegte. »Zum Teil, ja. Aber es war noch mehr.«
    »Ach?«
    »Zwei Dinge haben mir verdeutlicht, wie sehr ich mir wünsche,wirklich zu leben und keine Zeit zu verschwenden. Das eine war, dass ich erkannt habe, wie zerbrechlich das Leben ist. Ich war ganz sicher, in der Kapelle sterben zu müssen, aber wir hätten genauso gut auf der Heimfahrt umkommen können. Nur Gott kennt die Zahl unserer Tage …«
    »Und das Zweite?«, fragte ihre Tante.
    Emma nickte nachdenklich. »Ein langer, langer Blick aus einem schmalen Westfenster.«

    Ein paar Tage später suchten Emma und ihr Vater ihre Mieterin auf, die Schwester des Pfarrers, die das Haus der Smallwoods während ihrer Abwesenheit gemietet hatte.
    Beim Tee in ihrem eigenen Wohnzimmer stellte Mrs Welborn sie ihrer Schwester vor, einer Miss Lewis, die inzwischen ebenfalls hier wohnte. Emma fiel auf, dass ihr Vater stiller war als

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