Die Tochter des Hauslehrers (German Edition)
sonst, und dachte, es mache ihn verlegen, geschäftliche Angelegenheiten in Anwesenheit eines Gastes zu erörtern. Doch schließlich räusperte sich John Smallwood und kam höflich auf das Thema zu sprechen, dass sie ihr Haus wegen unvorhergesehener Umstände vorzeitig wieder beziehen mussten.
Mrs Welborn runzelte die Stirn und wandte ein, dass es äußerst schwierig für sie wäre, jetzt schon auszuziehen, weil ihre Niederkunft kurz bevorstünde und ihre Schwester eigens angereist sei, um ihr bei der Geburt und mit den Kindern zu helfen.
Miss Lewis, offenbar in dem Versuch, die Ablehnung ihrer Schwester ein wenig abzumildern, fügte freundlich hinzu: »Aber es tut uns schrecklich leid, dass wir Ihnen Ungelegenheiten machen.«
Emma dachte, dass es wohl nicht ganz einfach werden würde, den Mietvertrag vorzeitig aufzulösen, wenn die Mieter nicht bereit dazu waren, vor allem nicht angesichts der besonderen Umstände, befürchtete jedoch, dass ihr Vater auf seiner Forderung bestehen würde. So saß sie gegenüber von Mrs Welborn und Miss Lewis und wartetenervös auf die Entgegnung ihres Vaters. Als er nichts sagte, blickte sie auf und sah, wie er Miss Lewis betrachtete, die reizende unverheiratete Schwester des Vikars. Dann lächelte er und sagte galant, dass die Damen das Haus natürlich haben könnten, solange sie es brauchten.
Emma hätte fast ihren Tee verschüttet.
Was sie selbst anging, so war sie glücklich, bei ihrer Tante bleiben zu können und ihr beim Unterricht zu assistieren, wie sie es ohnehin eines Tages vorgehabt hatte, sollte ihr Vater jemals in der Lage sein, ohne sie zurechtzukommen. Emma unterrichtete gern und fand, dass Mädchen im Umgang einfacher waren als Jungen. Trotzdem vermisste sie die Anwesenheit männlicher Wesen, jedenfalls eines bestimmten männlichen Wesens.
Ihr Vater hingegen fühlte sich in einem Haus voller Frauen sehr unbehaglich. Da es ihm zudem nicht recht war, wenn seine Schwester seinetwegen eine zahlende Schülerin weniger aufnehmen konnte, wandte er sich an den Pfarrer und fragte, ob dieser ihm vielleicht sein Gästezimmer vermieten könne. Mr Lewis, der wahrscheinlich Schuldgefühle hatte, weil seine Schwestern das Haus von Mr Smallwood okkupiert hatten, war nur zu glücklich, ihm diesen Gefallen tun zu können.
Emma half ihrem Vater, sich in seinem vorübergehenden Zuhause einzurichten. Mr Lewis erzählte ihnen, dass er während ihrer Abwesenheit von einem Mitglied der Oberschicht ihrer Grafschaft angesprochen worden sei. Der wohlhabende Mann wollte schon seit Langem eine Armenschule für Jungen in Longstaple gründen und hatte den Pfarrer gefragt, ob er bereit wäre, das Projekt zu planen und durchzuführen und das Amt des Vorstehers zu übernehmen. Mr Lewis hatte gezögert, eine so zeitraubende Arbeit zu übernehmen. Doch nun, da Mr Smallwood zurückgekehrt sei und im Moment keine anderen Verantwortlichkeiten habe, fragte Mr Lewis, ob er sich vorstellen könne, gemeinsam mit ihm die Schule zu planen und aufzubauen und dann die Leitung zu übernehmen.
Ihr Vater sagte zu – und überraschte Emma damit abermals. Er sei sehr gerne dazu bereit.
Eines Abends, eine Woche nach ihrer Rückkehr, saßen Emma und ihre Tante zusammen im Wohnzimmer; die Schülerinnen waren bereits zu Bett gegangen. Jane las gerade zum zweiten Mal eines der Reisetagebücher, die sie beide so liebten, und Emma hielt ein Geografiebuch in der Hand. Doch eigentlich dachte sie nach. Schließlich stand sie auf, breitete die Karte aus, die in dem Buch enthalten war, und legte sie ihrer Tante auf den Schoß.
Jane sah mit fragendem Blick von der Karte zu Emma auf.
Emma kniete vor dem Stuhl nieder. »Komm, Tante Jane. Lass uns auf Abenteuerreise gehen. Warum sollen wir nur zu Hause sitzen und von den Reisen anderer Menschen lesen? Wir schaffen das, du und ich. Ich habe ein bisschen Geld von meiner Mutter und du hast die Sommerferien.«
Jane öffnete den Mund und wollte etwas sagen, überlegte es sich jedoch anders und presste die Lippen zusammen. Dann sah sie Emma mit blitzenden Augen an. »Nun, es könnte nicht schaden, einmal darüber nachzudenken. Genau genommen würde es vielleicht sogar Spaß machen. Wir könnten unsere Lieblingsorte aus den Reisetagebüchern zusammenstellen und eine ungefähre Route planen.«
»Heißt das, du fährst mit?«, fragte Emma gespannt.
Ihre Tante schüttelte den Kopf und hob warnend den Zeigefinger. »Ich sagte, ich denke darüber nach.«
Emma konnte es kaum
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