Die Tochter des Hauslehrers (German Edition)
Seenot hinüberschießen konnte. Emma fragte sich, wie die Vorführung wohl verlaufen war.
In der aktuellen Ausgabe des West Briton las sie einen kurzen Artikel über die Zusammenkunft des Gemeinderats von Ebford, der über Mr Westons Vorschlag abstimmen wollte, ein Rettungsboot von einer Werft in Plymouth zu kaufen. Sie überlegte, wozu dieses wohl nötig war. Dann fiel ihr Auge auf einen weiteren Artikel.
Schiffbruch bei Godreavy
In der Bucht von St. Ives ist die Brigg Neptune gestrandet. Ein paar der Halunken, die sich unter dem Vorwand, die Fracht schützen zu wollen, eingefunden hatten, beraubten den Kapitän seiner Uhr und die unglückliche Crew ihrer Kleidung. Einer der Matrosen, der sich fast nackt an Land gerettet hatte, sah, wie ein paar der Gauner ein Seil fortschafften, und beschimpfte sie. Ihm wurde gesagt, wenn er nicht sofort verschwände und aufhöre, sie zu belästigen, würden sie ihn gleich an Ort und Stelle erwürgen.
Emma schauderte. »Unzivilisiertes Cornwall« ist offenbar genau die richtige Bezeichnung , dachte sie; sie erinnerte sich, dass Lizzie die Wendung gebraucht hatte.
Dann legte sie die Lokalzeitung beiseite und fing mit der neuesten Ausgabe der Times an. Sie überflog die Anzeigen von Hutmachern und Modistinnen, dann fiel ihr Blick auf die Werbung eines Londoner Auktionshauses für eine frisch eingetroffene Schiffsladung von Blech- und Silbergeschirr. Was für ein seltsamer Zufall! Oder war es vielleicht gar kein Zufall?
Ein Klopfen unterbrach sie. Sie blickte auf, verlegen, weil sie wie eine vornehme Dame an Sir Giles' Schreibtisch saß, und sah erleichtert, dass es nur der Diener war.
»Abendessen ist aufgetragen, Miss.«
»Danke.« Emma stand auf und klemmte sich die Londoner Zeitung und eine der Lokalzeitungen unter den Arm; sie wollte sie mitnehmen und später auf ihrem Zimmer lesen.
Sie ging ins Büro des Verwalters. Erleichtert, nur noch Mr Davies und ihren Vater anzutreffen, legte sie die Zeitungen beiseite und setzte sich zu einem herzhaften Mahl aus Steak- und Nierenpudding, grünem Salat, Obst und Feigenkuchen. Beim Essen erzählte Mr Davies ihrem Vater von dem Gespräch, das länger gedauert hatte als geplant. Die Männer hatten sich getroffen, um über den Bau eines Kanals und einer Schleuse zu sprechen, die es auch größeren Schiffen gestattete, den Hafen anzulaufen, ohne sich nach den Gezeiten richten zu müssen. Das würde der Gegend hoffentlich den dringend benötigten wirtschaftlichen Aufschwung bringen.
Emma lauschte interessiert und war tief beeindruckt zu hören, dass Henry Weston in so wichtige Projekte involviert war – was sie natürlich nur höchst ungern zugegeben hätte. Sie überlegte, ob sie sich trauen würde, ihn nach seinen verschiedenen Projekten zu fragen. Wahrscheinlich nicht. Sie hatte ihn seit seiner Rückkehr nur selten gesehen und ihm schien es so auch ganz recht zu sein.
Während einer Gesprächspause brachte Emma ihre Entdeckung in der Bibliothek zur Sprache. »Ich habe vorhin die Zeitungen gelesen und dabei stach mir ein seltsamer Zufall ins Auge – die Anzeige einer Auktion von Blech- und Silbergeschirr, kaum zwei Monate, nachdem hier in Cornwall die Fracht eines Schiffes, das genau diese Waren geladen hatte, verschwand.«
Mr Davies sah sie scharf an.
Was hatte sie da nur gesagt? Verlegen lachend fügte sie hinzu: »Ist das nicht interessant?«
Mr Davies starrte sie weiter an. »Warum erwähnen Sie das?«, fragte er.
Emma wand sich: »Ich … wollte nur Konversation machen.«
Mr Davies hielt ihren Blick fest. »Ach ja?«
»Ja. Warum hätte ich sonst davon reden sollen?«
Ihr Vater blickte verwundert von ihm zu ihr.
Der Verwalter sah ihren Vater an, dann wieder sie. Sein Adamsapfel bewegte sich ruckartig. »Egal. Ich war nur … neugierig.«
Nach dem letzten Gang entschuldigte Mr Davies sich abrupt. Emma und ihr Vater sahen sich verblüfft an. Sie überlegte, ob es vielleicht daran lag, was sie gesagt hatte – ob sie ihn irgendwie damit beleidigt hatte. Glaubte er, sie erhebe sich über die Ortsansässigen – indem sie ihnen einen Diebstahl unterstellte, obwohl wahrscheinlich nichts dergleichen geschehen war?
Sie unterhielt sich noch zehn oder fünfzehn Minuten mit ihrem Vater und besprach mit ihm den Tag und den Unterrichtsplan für morgen. Dann stand sie auf, um zu gehen. Ihr Vater blieb noch sitzen; er hoffte, Henry Weston würde nach dem Essen noch zu einer Partie Backgammon vorbeikommen.
Die Zeitungen unter dem
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