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Die Tochter des Hauslehrers (German Edition)

Die Tochter des Hauslehrers (German Edition)

Titel: Die Tochter des Hauslehrers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Klassen
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Arm, verließ Emma allein das Büro und durchquerte die Halle. Sie sah Mr Davies in der Tür des Wohnzimmers stehen und mit Lady Weston sprechen. Beim Klang ihrer Schritte blickte Davies über die Schulter; Lady Weston folgte seinem Blick. Die beiden sahen sie mit einem seltsamen Ausdruck an, Davies verlegen, Lady Weston nachdenklich.
    Als Emma an ihnen vorbei die Treppe hochging, unterbrachen sie ihr Gespräch, sodass Emma den Eindruck bekam, dass sie über sie gesprochen hatten. Ihr Schweigen und ihre wachsamen Blicke folgten ihr die ganze Treppe hinauf. Sie war froh, als sie ihrem Blickfeld entschwunden war.

    Am nächsten Morgen wusch Emma sich, putzte sich die Zähne, bürstete ihr Haar und steckte es hoch, und machte dann ihr Bett, während sie auf Morva wartete. Als das Mädchen da gewesen war und ihr beim Ankleiden geholfen hatte, ging Emma nach unten und nahm die Zeitungen mit; sie wollte sie nach dem Frühstück zurück in die Bibliothek bringen.
    Im Büro des Verwalters fand sie Mr Davies bereits beim Frühstückvor, die neue Zeitung ausgebreitet vor sich liegen. Er blickte auf, als sie eintrat, und fing an, die Zeitung zusammenzufalten.
    »Bitte, meinetwegen brauchen Sie doch nicht aufhören zu lesen.« Sie lächelte und hob ihre Ausgaben des West Briton und der Times hoch. »Ich habe mir selbst etwas zu lesen mitgebracht. Sir Giles war so freundlich, mir die Zeitungen zu leihen.«
    Davies nickte und kehrte ohne ein Wort zu seiner Beschäftigung zurück. Sie hoffte, dass er nicht immer noch ungehalten war wegen gestern Abend.
    Emma füllte sich einen Teller und setzte sich dem Verwalter gegenüber an den Tisch. Sie fand den Mann eigentlich ganz nett, war jedoch in seiner Gegenwart stets leicht befangen, solange ihr Vater nicht da war und ein Gespräch in Gang hielt.
    Sie versuchte, beim Essen zu lesen, konnte sich aber nicht recht entspannen – jeder Bissen, jeder Schluck Kaffee kam ihr unverhältnismäßig laut vor und schien in dem Raum mit der hohen Decke widerzuhallen. Die Times war noch bei der Anzeige über die Auktion aufgeschlagen und sie sah, dass der Blick des Verwalters immer wieder herüberwanderte. Er rührte sein Frühstücksei nicht an.
    Emma legte ihren Zeigefinger auf das Blatt und schob die Zeitung über den Tisch. »Ich habe sie durch. Möchten Sie noch einen Blick hineinwerfen?«
    »Oh …« Mr Davies blies die Wangen auf und wand sich förmlich. »Nein, nein. Ich habe kein Interesse an Londoner Nachrichten.«
    Allmählich wurde das Schweigen zwischen ihnen wirklich unbehaglich. Emma beendete ihr Frühstück, so schnell es ging, und entschuldigte sich.
    Da sie der Spannung im Herrenhaus – die sie unabsichtlich mit verursacht hatte – unbedingt entfliehen wollte, brachte sie die Zeitungen zurück in die Bibliothek und beschloss nachzusehen, was ihren Vater so oft außer Haus lockte. War der Blick von den Klippen wirklich so überwältigend?
    Ihr Vater war bereits fort – er war wirklich ein Frühaufsteher, doch es gab schließlich keinen Grund, warum sie nicht allein einenSpaziergang unternehmen sollte. Sie ging noch einmal auf ihr Zimmer, zog einen langärmligen Mantel über ihr Tageskleid, band sich eine Haube um und nahm auch die Handschuhe mit. Es war zwar schon Anfang Mai, doch ihr Vater hatte sie vor den kalten Winden oben auf den Klippen gewarnt.
    Als sie herunterkam, betrat ihr Vater das Haus gerade durch den Hintereingang. Seine Wangen waren gerötet, den Mantelkragen hatte er hochgeschlagen. Sie sagte ihm, was sie vorhatte, und er nickte zustimmend. Dann ging er ins Büro des Verwalters, um noch eine Tasse Tee zu trinken und etwas Gebäck zu essen. Sein Appetit hatte sich sehr gebessert, seit sie in Cornwall waren; Emma deutete das als gutes Zeichen.
    Sie trat hinaus. Ihre Halbstiefel knirschten auf der gekiesten Auffahrt und den von Staudenpflanzen gesäumten Gartenwegen. Die Gartenmauer war überzogen mit Efeu und Wein. In Cornwall kam der Frühling zeitig; die Luft duftete nach Apfelblüten, Hyazinthen und Maiglöckchen. Emma sah viele Pflanzen, die sie aus Longstaple nicht kannte, wie zum Beispiel die Feigen- und Lorbeerbäume in der Auffahrt – Belege für Cornwalls mildes, subtropisches Klima, jedenfalls solange die Gewächse vor dem Wind geschützt wurden.
    Sie öffnete das Gartentor und verließ zum ersten Mal seit ihrer Ankunft das Grundstück des Herrenhauses. Sobald sie eine flache Anhöhe erklommen hatte, frischte der Wind auf und zerrte an ihrer Haube. Doch

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