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Die Tochter des Hauslehrers (German Edition)

Die Tochter des Hauslehrers (German Edition)

Titel: Die Tochter des Hauslehrers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Klassen
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eng gebunden vor.
    »Das stimmt!« Phillip nickte, als es ihm wieder einfiel. »Pugsworth hieß er, nicht?«
    Julian grinste Miss Smallwood an, er schien sich köstlich zu amüsieren. »Haben Sie wirklich geglaubt, Pugsworth hätte sich in Sie verliebt?«
    Himmel hilf, dachte Henry und hoffte nur, sie würde jetzt nicht in enttäuschte Tränen ausbrechen. Nicht nach all den Jahren. Und nicht wegen Milton Pugsworth!
    Doch Miss Smallwood war unerschütterlich wie immer. »GuteGüte, nein«, sagte sie. »Trotz all seiner Fehler war Mr Pugsworths Rechtschreibung außergewöhnlich gut und er hatte die sauberste Handschrift, die ich je gesehen habe. Ihr Bruder hingegen hat nie fehlerfrei schreiben gelernt. Und seine krakeligen Kringel habe ich sofort erkannt.«
    Phillip warf ihr einen anerkennenden Blick zu. »Bravo, Emma!«
    Miss Smallwood erwiderte seinen Blick mit einem Augenaufschlag, so lieblich und warm wie gesüßter Tee.
    Als Henry das sah, hatte er plötzlich ein unangenehmes Gefühl im Magen. Vomitus, in der Tat.
    Ein paar Minuten später stieß Mr Smallwood zu ihnen und fing an, eigene Erinnerungen beizutragen. Als die Geschichten schließlich langsam verebbten, schlug Henrys alter Lehrer sich auf die Schenkel und seufzte. »Ich glaube, ich gehe jetzt schlafen.«
    Miss Smallwood erhob sich. »Ich auch.«
    »Gute Nacht, meine Herren.« Mr Smallwood lächelte in die Runde und winkte ihnen freundlich zu.
    Henry stand auf. »Ich begleite Sie nach oben.«
    Auf dem Treppenabsatz zündete Henry eine Lampe an und ging voraus. Er sprach leise mit Mr Smallwood, war sich jedoch überaus bewusst, dass dessen Tochter still hinter ihnen herging.
    Oben an der Treppe wünschten er und Mr Smallwood einander Gute Nacht. Emma trat in den Alkoven, in dem das Porträt von Henrys Mutter hing.
    John Smallwood verschwand in seinem Zimmer. Henry konnte der Gelegenheit nicht widerstehen, noch ein paar Worte allein mit seiner Tochter zu sprechen. Er ging hinüber und trat zu ihr. Sie stand vor dem Porträt seiner Mutter, das von dem durch das Buntglasfenster fallenden Mondlicht und jetzt auch vom Licht seiner Lampe angestrahlt wurde.
    Er sagte leise: »Sie wissen natürlich noch, dass ich den Smallwood-Rechtschreibwettbewerb jedes einzelne Jahr, das ich bei Ihnen war, gewonnen habe?«
    »Natürlich, Mr Weston«, antwortete sie gelassen, ohne die Augen von dem Bild zu nehmen.
    »Und Sie erinnern sich auch, dass Ihr Vater einmal sagte, meine Handschrift sei die beste, die zu lesen er je das Vorrecht hatte?«
    »Ja, Mr Weston.«
    Er betrachtete ihr gelassenes Profil und bewunderte sie plötzlich. Als sie nichts mehr sagte, schüttelte er langsam den Kopf. Ein winziges Lächeln erschien auf seinem Mund.
    »Gut gemacht, Miss Smallwood.« Er wollte sich abwenden, blieb aber noch einmal stehen und fügte hinzu: »Er hat Sie bewundert, müssen Sie wissen. Er wusste nur nicht, wie er es Ihnen zeigen sollte.«
    Sie schaute ihn ungläubig an. »Mr Pugsworth?«
    »Ja«, sagte Henry. Ja, auch er , dachte Henry sich im Stillen, während er davonging.

    Der nächste Tag verlief ereignislos, ausgefüllt mit Unterricht und einem Spaziergang mit Lizzie. Henry oder Phillip bekam Emma den ganzen Tag nicht zu Gesicht.
    Abends lag sie im Bett und las noch ein paar Seiten bei Kerzenlicht. Sie hatte sich einen Roman von Ann Radcliffe, Die Geheimnisse von Udolpho , vorgenommen. Es war ein Schauerroman – nicht ganz ihr üblicher Lesestoff – und spielte in einem düsteren Schloss voller übernatürlicher Schrecken. Emma fragte sich, warum der grüblerische, hochmütige Schuft im Buch Henry Westons Züge trug. Sie hatte den Roman schon vor Jahren einmal gelesen, doch jetzt, hier auf Ebbington Manor, flößte er ihr wesentlich mehr Grauen ein als je in ihrem gemütlichen Haus in Longstaple. Sie blätterte um und las:
    Ihr Herz erzitterte vor Schrecken. Sie richtete sich halb auf, zog vorsichtig den Bettvorhang beiseite und blickte zur Tür hinüber … doch die Lampe, die auf dem Kamin brannte, erhellte das Zimmer nur so schwach, dassdie Ecken des Raums in Schatten getaucht blieben. Das Geräusch jedoch, das, wie sie ganz sicher war, von der Tür kam, war immer noch zu hören. Während Emily ihre Augen fest auf die Tür gerichtet hielt, sah sie, wie diese sich bewegte und langsam öffnete. Dahinter betrat jemand den Raum, doch im Dämmerlicht konnte sie nicht erkennen, wer es war. Sie wurde fast ohnmächtig vor Angst, hatte sich aber noch so weit in der Gewalt,

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