Die Tochter des Hauslehrers (German Edition)
Tod ihrer Mutter stand sie Gott so fern, dass es ihr wahrhaftig nicht zustand, platten religiösen Trost anzubieten.
Stattdessen sagte sie einfach: »Gut. Aber keine Namen.«
Lizzie nickte dankbar und ging zu einer Bank, von der aus man aufs Meer hinausblicken konnte. Sie ließ sich darauffallen. Emma setzte sich neben sie und legte sorgfältig ihre Röcke zurecht.
»Weißt du«, begann Lizzie, »Lady Weston hofft – oder vielleicht sollte ich lieber sagen, plant, dass einer der Weston-Brüder diese Miss Penberthy heiratet. Sie hat anscheinend ein recht ordentliches Erbe zu erwarten. Ihr Vater hat ein kleines Vermögen mit Zinnminen gemacht, glaube ich. Lady Weston würde es also ausnehmend gern sehen, wenn die Tochter ihrer Freundin in ihre Familie einheiratet – und eine schöne Stange Geld mitbringt. Lady Weston liebt Geld nämlich über alles.«
Emma wartete und fragte sich besorgt, welches Interesse Lizzie an dieser Geschichte haben könnte.
Lizzie rang die Hände und sah auf den Horizont hinaus. »Weißt du, ich habe ein geheimes … Abkommen mit einem der Weston-Brüder. Dumm von mir, ich weiß. Aber das war vor mehreren Monaten, bevor …« Sie wollte einen Namen sagen, hielt sich aber gerade noch zurück. »Bevor er nach Hause kam. Und jetzt bereue ich das dumme Versprechen, dass ich einem … sagen wir, einem der jüngeren Mr Westons gemacht habe. Denn danach habe ich mich hoffnungslos in einen … älteren Mr Weston verliebt. Und jetzt fürchte ich, dass Lady Weston ihn mit Miss Penberthy und ihren fünftausend Pfund verheiraten will – und was soll ich dann tun?«
Emmas Gedanken überschlugen sich. Sie wollte nicht wissen, von wem Lizzie sprach, und zog doch bereits Schlüsse. Jüngerer Bruder … Phillip? Älterer Bruder … Henry?
Hatte Phillip sich wirklich in Lizzie Henshaw verliebt? Hatte er deshalb Oxford verlassen und war nach Ebbington zurückgekehrt –um Lizzie zu sehen und nicht Emma und ihren Vater, wie er gesagt hatte? Emma hoffte, dass das nicht stimmte. Doch der Gedanke, dass ihrem lieben Freund das Herz brach, weil das Mädchen, das er liebte, ihre Zuneigung auf seinen älteren Bruder übertragen hatte, gefiel ihr gar nicht.
Sie überlegte, welchen der Brüder Lady Weston wohl für Miss Penberthy im Sinn hatte. Henry, den ältesten Sohn? Oder Phillip, den sie eindeutig bevorzugte?
Sie fragte vorsichtig: »Erwidert dieser … ältere Bruder … deine Zuneigung?«
Lizzies Augen waren groß und schwermütig. »Ich glaube schon. Oh, ich hoffe es so sehr.«
Liebte Henry Weston Lizzie Henshaw? Das war schwer zu glauben. Emma war aufgefallen, wie freundlich und höflich er mit dem Mündel seiner Stiefmutter umging, doch wenn da noch mehr war, hatte sie jedenfalls nichts davon gemerkt. Andererseits hatte sie auch nichts von einer Romanze zwischen Lizzie und Phillip gemerkt; die beiden hatten lediglich einmal im Garten miteinander geredet und da konnten sie genauso gut über ein völlig unromantisches Thema gesprochen haben.
War es Lizzie mit ihrem reizenden Aussehen und ihrer vernachlässigten Erziehung wirklich gelungen, beiden, Phillip und Henry Weston, den Kopf zu verdrehen, sodass sie nun einen enttäuschen musste?
Emma nahm an, dass manche jungen Frauen für solche romantischen Ideale lebten. Doch sie persönlich fände es abscheulich, sich selbst und zwei Brüder in eine solche Lage zu bringen.
Lizzie sagte flehentlich: »Verstehst du jetzt, warum ich so außer mir bin? Warum ich solchen Kummer habe?«
Emma nickte. Ja, sie verstand es.
13
Da Tanzen eine Fertigkeit ist, die in erster Linie darauf abzielt, eine schöne Gestalt, erlesenen Geschmack und anmutige Bewegungen zur Schau zu stellen, gibt es keine wirksamere Methode, um Schönheit zu unterstreichen.
The Mirror of the Graces, 1811
Mrs und Miss Penberthy teilten den Westons mit, dass sie am Freitag eintreffen und am Sonntagnachmittag wieder abreisen würden. Lady Weston hatte auf einen längeren Besuch gehofft, tröstete sich jedoch mit dem Gedanken, dass es in der kurzen Zeit einfacher sein würde, das Bild einer perfekten Familie aufrechtzuerhalten.
Die Damen Penberthy würden am Spätnachmittag auf Ebbington Manor eintreffen, sodass noch Zeit blieb, sich zum Dinner umzukleiden. Dem Abendessen sollte dann ein Kartenspiel folgen. Danach würde man früh zu Bett gehen, da die beiden sicherlich müde von der Reise waren.
Am Samstag würde jedem der jungen Männer eine Stunde zur Verfügung stehen, in der sie
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