Die Tochter des Hauslehrers (German Edition)
geschätzten Lehrer und seine reizende Tochter ganz hinten im Zimmer sitzen zu sehen.
Julian nahm auf der Bank Platz. Er kündigte an: »Beethovens Pathétique in C-Moll.«
Dann schlug er die ersten harten Töne an.
Die Musik traf Henry wie Faustschläge ins Herz, gefolgt von sanfteren, fast entschuldigenden Liebkosungen. Dann verdichteten sich die Noten zu einem fröhlichen, wirbelnden Tanz, erhoben sich in fiebrige Höhe, so laut, dass es in den Ohren schmerzte. Julian erreichte ein Crescendo nach dem anderen, unterbrochen stets von einem sanften Refrain. Henry musste an zarte Blütenblätter denken, hingestreut auf einen Amboss, auf die wieder und wieder mit einem gnadenlosen Hammer eingeschlagen wurde.
Die Sonate war eigentlich nicht nach Henrys Geschmack, doch er wusste auch, dass er kein Musikkenner war. Er blickte auf und sah, dass Mrs Penberthy einen beeindruckten Blick mit Lady Weston wechselte. Da es im Moment schließlich allein auf ihre Meinung ankam, lehnte Henry sich zurück, um den Rest des Stücks über sich ergehen zu lassen.
Nachdem Julian geendet und den Applaus entgegengenommen hatte, schlug Lady Weston vor: »Vielleicht tut Miss Penberthy uns noch den Gefallen und spielt uns etwas vor?«
»Wenn Sie möchten«, sagte Tressa und stand auf. »Aber ich fürchte, ich spiele sehr schlecht, verglichen mit dem Spiel des jungen Mr Weston.«
Julian lächelte dünn über dieses in eine Bemerkung über sein Alter verpackte Kompliment.
»Vielleicht ist Phillip so gut, die Seiten für Miss Penberthy umzublättern?« Lady Weston warf Phillip einen vielsagenden Blick zu. Dieser errötete unwillig, stand aber pflichtbewusst auf.
Da sagte Julian: »Ich mache das, Mama. Ich stehe schon hier und bin vertrauter mit der Musik als Phillip.«
Lady Westons Lächeln war etwas angespannt. »Ohne Zweifel, Julian. Aber tu mir den Gefallen und lass Phillip Miss Penberthy helfen.«
Julian machte ein finsteres Gesicht, warf sich auf einen nahe stehenden Stuhl und verschränkte die Arme über der Brust.
Miss Penberthy spielte – und in der Tat sehr gut. Henry bemerkte nur einen einzigen Ton, der falsch klang, und nahm sich innerlich vor, das alte Ding gelegentlich stimmen zu lassen.
Als Miss Penberthy fertig war, fiel er mit den anderen in den höflichen Beifall ein.
»Nun« – Mrs Penberthy erhob sich – »das war wirklich ein angenehmer Besuch. Tressa und ich danken Ihnen allen für Ihre Gastfreundschaft, aber ich fürchte, wir müssen uns jetzt entschuldigen und die nötigen Vorbereitungen für unsere Abfahrt treffen.«
Lady Weston erhob sich ebenfalls. »So bald schon? Wie schnell doch die Zeit vergangen ist! Aber ist es nicht immer so, wenn gute Freunde zusammenkommen? Sie und ich, wir sind schon ewig Freundinnen, und ich hoffe, dasselbe von unseren Kindern sagen zu können, jetzt, da sich die ersten Bande der … Zuneigung gebildet haben.«
Henry fiel auf, dass Mrs Penberthy nicht die gleiche Begeisterung zeigte, als sie antwortete: »Ja, jetzt sind wir alle ein wenig besser bekannt.«
Lady Weston lächelte. »Und Sie werden uns doch hoffentlich bald wieder besuchen?«
Während die Frauen über künftige Unternehmungen sprachen, standen die anderen nach und nach auf und verließen das Zimmer durch die Doppeltür. Henry folgte ihnen langsam; er bildete das Schlusslicht.
Plötzlich wurde hinter ihm eine einzelne Note angeschlagen, einmal, zweimal, dreimal. Immer die gleiche Note. Henry drehte sich um und sah entsetzt, dass Adam am Klavier saß, den Kopf vornübergebeugt, und immer wieder dieselbe Taste anschlug – C, C, C … C, C, C.
Wo kam er so plötzlich her? Henry hatte nicht gehört, dass sich die hintere Tür geöffnet hatte. Hatte er sich vielleicht schon die ganze Zeit hier versteckt? Henry hoffte um seiner Stiefmutter willen, dass die Penberthys das Musikzimmer verließen und hinausgingen, ohne diesen letzten »Musiker« zu hören oder nach ihm zu fragen.
Doch Miss Penberthy drehte sich auf der Schwelle noch einmal um, entdeckte Adam und warf Phillip einen erwartungsvollen Blick zu, weil sie mit einer Erklärung oder Vorstellung rechnete.
Mrs Penberthy, der auffiel, dass ihre Tochter nicht mehr da war, kam zurück ins Musikzimmer.
Henry stöhnte innerlich auf. Himmel nochmal …
»Meine Liebe, wir müssen gehen …« Mrs Penberthy zögerte, als sie den jungen Mann am Klavier sah. »Wer ist denn das?«, fragte sie, während jener immer weiter das C anschlug, und dabei lachte sie
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