Die Tochter des Kardinals
Beziehung nicht auf dem Fundament der Liebe errichtet wurde.«
»Du bleibst heute daheim?«, fragte sie.
»Ja«, sagte Carafa, »allerdings wirst du auf meine Gesellschaft verzichten müssen. Ich erwarte Gäste.«
»Oh«, drang es aus Allegras Kehle. »Wer ist es?«
»Ich wüsste nicht, dass ich dir darüber Rechenschaft ablegen müsste, meine Liebe.«
Allegra zuckte mit den Schultern, nahm ein Buch zur Hand und warf sich auf das breite Bett.
»Du wartest hier auf mich, bis ich zurückkehre«, befahl Carafa und verließ das Gemach. Er ging den Flur entlang und betrat die Bibliothek. Einen der Diener wies er an, Wein und Gläser herbeizuschaffen. Nachdem dies geschehen war, setzte er sich in einen der bequemen Sessel und wartete.
Eine Stunde später klopfte es an der Tür. Der Diener trat ein. »Ihre Eminenzen, Kardinal Castagna und Kardinal Pozzi, sind eingetroffen, Eminenz.«
»Sie sollen hereinkommen«, sagte Carafa und stand auf.
Die Begrüßung war freundlich, doch keineswegs herzlich. Carafa bat seine Gäste, Platz zu nehmen. Er selbst blieb stehen.
Der Diener füllte drei Gläser mit blutrotem Wein und reichte sie den Kardinälen auf einem silbernen Tablett. Dann verschwand er lautlos.
»Nun«, sagte Pozzi, nachdem er einen tiefen Schluck genommen hatte. Mit einem Seidentuch wischte er dicke Schweißperlen von Stirn und Nacken. »Was habt Ihr zu berichten, Callisto?«
»Die Dame hat ihren Platz eingenommen.« Carafa lächelte. »Sie ist so unbedarft und ahnungslos wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird.«
»Ich hoffe«, sagte Castagna, »Ihr seht in unserem Vorhaben mehr als nur eine harmlose Partie Schach. Hier geht es um Menschen aus Fleisch und Blut. Und der Verlierer erhält keine Revanche.«
»Mir gefällt noch immer nicht«, warf Pozzi ein, »dass Ihr Eure eigene Tochter zu einer Figur in diesem Spiel macht. Ihr kennt sie ebenso wenig wie wir. Wer sagt uns, dass sie genau das tut, was Ihr erwartet?«
» Ich sage Euch das«, gab Carafa zurück. »Giulia ist ein junges, dummes Kind aus der Provinz. Als sie erkannte, dass ich, ein Kardinal aus Rom, sie persönlich in den Vatikan befohlen hat, schlotterten ihr die Knie vor Ehrfurcht. Sie hat mir aus der Hand gefressen und bedenkenlos geglaubt, dass allein sie den Papst zu schützen vermag.«
»Ihr habt ihr gesagt, dass sie nur Euch Bericht erstatten darf?«, fragte Castagna. »Dass es ihr nicht gestattet ist, irgendwen, auch den Papst selbst nicht, über ihren Auftrag zu unterrichten?«
»Gewiss«, antwortete Carafa und beugte sich zu Castagna hinunter. »Haltet Ihr mich für einen Narren?«
Castagna hielt Carafas Blick stand. »Mitnichten. Ich will nur sichergehen, dass Ihr nichts vergessen habt. Schließlich habt Ihr heute zum ersten Male Eurem eigen Fleisch und Blut gegenüber gestanden. Ich kann mir kaum vorstellen, dass dies nicht ein bewegender Moment war. Selbst für einen Mann wie Euch.«
»Ich nehme Eure letzten Worte als Kompliment«, sagte Carafa.
»Wie geht es nun weiter, Callisto?«, fragte Pozzi, der sich noch immer den Schweiß abwischte.
»Wir sammeln die Informationen, die die junge Nonne uns liefert«, sagte Carafa. »Dies kann durchaus Wochen, wenn nicht gar Monate dauern. Wenn der Tag gekommen ist, schlagen wir zu. Der Papst stirbt, und ich folge ihm auf den Heiligen Stuhl.«
»Diese Giulia, Eure Tochter, Callisto, könnte dabei ebenso sterben wie Sixtus«, wandte Castagna ein. »Das berührt Euch nicht?«
Carafa verzog das Gesicht. »Das Leben dieses Kindes kümmert mich weniger als das meiner Diener.«
»Warum eigentlich nicht?«, fragte Castagna weiter.
Erst schien es, als wollte Carafa den Kardinal ob seiner frechen Frage scharf anfahren. Für einen Augenblick erschien ein ungewohnter Anflug von Trauer auf seinem Gesicht. Rasch wandte er sich ab. »Nehmt es einfach als Tatsache«, sagte er mit belegter Stimme.
Castagna und Pozzi warfen sich einen bedeutungsvollen Blick zu und nippten stumm an ihren Gläsern.
Niemand bemerkte, wie sich die Tür zum Flur leise schloss und Allegra stumm zurück in das Schlafgemach schlich.
11
Am nächsten Morgen wachte Giulia von allein auf. Sie war daran gewöhnt, noch vor Sonnenaufgang aufzustehen. In der vergangenen Nacht hatte sie gut geschlafen. Sie kleidete sich an und schloss sich den anderen Nonnen zum Morgengebet an. Erst dort spürte sie erneut Unruhe. Der unheimliche Kardinal hatte ihr gesagt, dass heute ihr Dienst in den Gemächern des Heiligen Vaters
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