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Die Tochter des Kardinals

Die Tochter des Kardinals

Titel: Die Tochter des Kardinals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Fandrey
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vorbei an unzähligen Kerkertüren zu einem kleinen, von zwei Fackeln erleuchteten Raum.
    Ein Soldat, der Wache hielt, sprang auf, als er die hohen Herren erblickte.
    »Bring Seine Eminenz zu Kardinal Pozzi«, befahl Quintino.
    Der Soldat brachte Carafa noch ein Stück tiefer in den Kerker hinein. Plötzlich blieb er stehen. Er schloss eine der Türen auf, reichte Carafa eine Fackel und entfernte sich. Carafa betrat das feuchte Verlies.
    »Callisto?«, erklang eine wohlbekannte Stimme. »Seid Ihr das?«
    »Ja«, sagte Carafa. Der Schein der Fackel fiel auf Pozzi. Er saß zusammengekauert in einer Ecke.
    »Dem Herrn sei gedankt!«, rief Pozzi erleichtert. »Nun hat der Spuk ein Ende. Sagt dem Präfekten, dass ich unschuldig bin!«
    Carafa kniff die Augen zusammen. »Primo«, sagte er. Seine Stimme klang erschüttert. »Was zum Teufel habt Ihr getan?«
    »Ich habe die Knaben nicht getötet«, beteuerte Pozzi. »Ihr müsst mir glauben!«
    »Wie kann ich Euch das glauben«, sagte Carafa, »wo ich doch Eure verabscheuungswürdige Neigung kenne?«
    »Callisto!«, wimmerte Pozzi. »Ich schwöre Euch im Namen der heiligen Jungfrau Maria, dass ich nicht der Mörder dieser Knaben bin.«
    Carafa schüttelte wortlos den Kopf. Er wandte sich um und ging zur Kerkertür.
    »Carafa!«, brüllte Pozzi. Carafa wandte den Kopf. »Seit wann bedeuten Euch Menschenleben so viel, dass Ihr einen alten Freund dafür verratet?«
    »Ich habe mich nie an Kindern vergriffen«, antwortete Carafa. Dann ging er aus dem Verlies.
    Auf dem Gang kam ihm Castagna entgegengeeilt. »Pozzi«, sagte er atemlos und voller Entsetzen. »Ich habe es soeben gehört. Das kann doch nur ein Scherz sein.«
    Carafa legte eine Hand auf Castagnas Arm und zog ihn sanft mit sich. Als sie sicher waren, dass die Wachen sie nicht hören konnten, sagte er: »Pozzi steckt in großen Schwierigkeiten – und wir mit ihm. Heute Nacht erschien er aufgebracht vor meinem Haus und wollte Geld von mir. Sehr viel Geld. Habt Ihr eine Ahnung, welche Pläne er hatte?«
    »Keineswegs«, sagte Castagna. »Doch was geschah mit den toten Knaben? Hat Pozzi sie umgebracht?«
    »Ich glaube, nicht«, sagte Carafa. »Pozzi ist ein Scheusal, aber er ist nicht so dumm, ein Dutzend Knaben in einer Nacht umzubringen, noch dazu in seinem Palazzo.«
    »Habt Ihr eine Ahnung?«, fragte Castagna.
    Carafa nickte langsam. »Ein Unbekannter hat dem Stadtpräfekten eine Nachricht über die Vorkommnisse in Pozzis Palazzo zukommen lassen.«
    Castagna riss die Augen auf. »Das würde bedeuten …«
    »Das würde bedeuten«, setzte Carafa den Satz fort, »dass irgendwer Pozzi eine Falle gestellt hat.«
    »Was sollen wir tun, Callisto?«, fragte Castagna.
    »Entweder hat Pozzi bei irgendwem hohe Schulden«, erklärte Carafa, »und dieser Unbekannte will sich an Pozzi rächen. Oder irgendwer ist über unsere gemeinsamen Pläne informiert und will sie zunichte machen.«
    Castagna ging aufgebracht hin und her. »Ich habe zu keiner Seele auch nur ein einziges Wort gesagt«, versicherte er. »Doch es gibt außer uns noch andere Kardinäle, die mit dem Papst unzufrieden sind. Womöglich wollen sie uns ausstechen, um ihre eigenen Ziele zu verwirklichen.«
    »Dieses Problem lässt sich in dieser Nacht nicht lösen«, sagte Carafa. »Ein anderes dagegen schon.«
    »Pozzi«, sagte Castagna.
    »Er ist zu einem Risiko geworden«, sagte Carafa. »Ein Risiko für unser Vorhaben, sogar für unser Leben. Nutzen wir die Gunst der Stunde.«
    Castagna rieb sich nachdenklich am Kinn. »Ihr habt recht, Callisto«, sagte er nach einer Weile. »Diese Nacht soll Pozzis letzte auf Erden sein.«
    Carafa nickte. Gemeinsam gingen sie zu dem kleinen Wachraum, wo der Präfekt noch immer wartete.
    »Habt Ihr mit Kardinal Pozzi gesprochen, Eminenz?«, fragte Quintino.
    »Das habe ich«, sagte Carafa. »Bereitet alles für die Hinrichtung vor. Er soll noch in dieser Nacht vom Leben zum Tode befördert werden.«
    Quintinos Gesicht wurde weiß. »Das ist nicht Euer Ernst«, stieß er hervor.
    »In diesen Dingen beliebe ich nicht zu scherzen«, sagte Carafa. »Ihr habt doch eine Richtstätte in der Präfektur, nicht wahr?«
    »Ja«, sagte Quintino.
    »Ein Scharfrichter ist ebenfalls anwesend?«, wollte Carafa wissen.
    »Gewiss.«
    »Dann richtet Kardinal Pozzi.«
    »Aber …«, stammelte Quintino, »aber Seine Eminenz hat doch das Recht, vor der Rota gehört zu werden.«
    Carafa trat zwei Schritte auf Quintino zu. Er überragte den Präfekten um

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