Die Tochter des Kardinals
Fäusten betrat Pozzi leise die Küche. In der Feuerstelle glomm noch Glut. So entzündete er einen Holzspatel und damit einen vierarmigen Kerzenleuchter. Er schaute sich um.
Die Küche war verwüstet. Töpfe, Pfannen und Kellen lagen überall verstreut. Dazwischen zertretene Tomaten, Gurken und Zucchini.
Vorsichtig schritt Pozzi durch die Küche und betrat den Flur. An dessen Ende lag etwas auf dem Boden. Pozzi ging näher und beugte sich hinab. »Fausto!«, entfuhr es ihm. Er rüttelte den Diener an der Schulter. Dann sah er die Blutlache auf dem weißen Marmor und den tiefen Schnitt quer über Faustos Hals. Entsetzt sprang er zurück.
Schließlich überwand Pozzi sich und stieg über den Toten hinweg. Vor der Treppe, die in das obere Stockwerk führte, fand er noch einen ermordeten Diener. Auf der Treppe lag ein dritter und oben ein vierter.
Schwankend ging Pozzi auf sein Schlafgemach zu. Die Tür war offen. Er trat ein, und der Lichtschein der Kerzen wischte die Dunkelheit fort … Pozzi schrie voller Entsetzen auf.
In seinem Gemach lagen überall verstreut die leblosen Körper von einem Dutzend Knaben. Sie lagen auf dem Bett, auf dem Boden, vor dem Fenster, auf einem Sessel und auf der gepolsterten Bank. Alle waren nackt. Ihre Kehlen hatte man durchtrennt, und ein See aus Blut hatte sich über den Teppich ergossen.
Pozzi schrie und schrie. Wie ein tollwütiger Hund rannte er in dem Raum umher und untersuchte die Knaben.
Plötzlich hörte er, wie Fäuste gegen die Eingangstür hämmerten. Er ging zum Fenster und schaute hinaus. Wieder schrie er auf. Vor dem Palazzo standen etwa zwanzig bewaffnete Männer. An dem Wappen auf ihrem Wams erkannte er, dass es sich um Soldaten des Stadtpräfekten handelte. »Gütiger Gott«, hauchte er und stürzte zu Boden.
Mit einem gewaltigen Knall verschafften sich die Soldaten Zugang zu Pozzis Palazzo. Kommandos gellten durch das Haus. Die Schritte ihrer Stiefel näherten sich über die Treppe.
Dann erschien das Gesicht eines Soldaten in der Tür. Er sah den blutverschmierten Kardinal winselnd zwischen all den Leichen sitzen. »Herr, erbarme dich!«, stöhnte der Soldat.
Schwer bewaffnete Männer drangen in den Raum. Zwei von ihnen packten Pozzi, legten ihm Fesseln an und führten ihn ab. Der Kardinal leistete keinen Widerstand.
»Euer Eminenz!«, rief ein Diener gepresst. »Wacht auf.«
Schlaftrunken schlug Callisto Carafa die Augen auf. Die Tür zu seinem Schlafgemach stand offen. »Was ist geschehen?«, fragte er und setzte sich auf.
»Kardinal Pozzi«, sagte der Diener. »Ihr müsst auf der Stelle zu ihm.«
Carafa legte sich wieder hin. »Niemals mehr werde ich sein Haus betreten«, knurrte er. »Sag ihm das und schick ihn fort.«
»Das ist es ja eben, Euer Eminenz«, erwiderte der Diener. »Der Kardinal befindet sich in den Verliesen der Stadtpräfektur. Der Präfekt schickt nach Euch.«
Carafa schnellte hoch. »In den Verliesen der …«, echote er. »Sag dem Präfekten, dass ich unverzüglich komme. Und lass Kardinal Castagna eine Nachricht zukommen.«
Der Diener verneigte sich und verschwand.
Allegra drehte sich auf die Seite. »Callisto?«, fragte sie.
»Schlaf weiter«, sagte Carafa und stand auf.
»Wo willst du zu dieser späten Stunde hin?«
»Pozzi ist wahnsinnig geworden«, erklärte Carafa. »Er sitzt im Kerker. Nun schlaf!«
Er verließ das Schlafgemach und ging in das Ankleidezimmer nebenan. Als seine Diener fertig waren, verließ er seinen Palazzo und stieg in die wartende Kutsche.
Vor der römischen Präfektur am Campo Marzio nahm ihn der Präfekt persönlich in Empfang. Er war ein hagerer Mann mit glattem grauem Haar und großen schwarzen Augen. »Habt Dank, dass Ihr so rasch gekommen seid, Eminenz.«
»Quintino«, sagte Carafa. »Was in Gottes Namen ist geschehen?«
Quintino führte Carafa in das prachtvolle Gebäude der Präfektur. Hinter den massiven Steinwänden klärte er Carafa über die Angelegenheit auf.
»Woher haben Eure Männer gewusst, dass all die Leichen in Pozzis Haus zu finden waren?«, fragte Carafa, während sie über unzählige Stufen und Treppen in die Kerker hinabstiegen.
»Ein Unbekannter warf ein Papier durch ein offenes Fenster des Wachhauses, auf dem die Tat geschrieben stand«.
»Habt Ihr den Unbekannten in Gewahrsam?«
Quintino lächelte spöttisch. »Wäre er uns dann noch unbekannt? Hier entlang bitte, Euer Eminenz.«
Die Wände hier unten waren feucht, die Luft roch modrig. Quintino führte Carafa
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