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Die Tochter des Ketzers

Die Tochter des Ketzers

Titel: Die Tochter des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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tatsächlich tot vorfinden würde und ihre Sünde zweifelsfrei erwiesen wäre? Oder war es die Angst, dass Davide noch lebte und ihr die Reliquie rauben könnte, so wie er es geplant hatte?
    Und es gab noch etwas Drittes, vor dem sie sich scheute, das Beunruhigendste von allem – die Ahnung nämlich, dass sie, wenn sie die Macht hätte, zwischen diesen beiden Übeln zu wählen, das erste nehmen würde. Die Ahnung auch, dass ihr Entsetzen vor der Sünde nicht minder groß war als die Genugtuung, sich aus seinen gierigen Händen gerettet zu haben.
    Eben noch hatte sie gedacht, dass sie verzweifelt vor der Gewissheit davonliefe, das Heiligtum ihrer Familie auf ewig entweiht und ihrer Seele selbst mehr Lasten aufgebürdet zu haben, als sie in läuternder Buße wieder abtragen konnte. Doch während Akil verständnislos auf sie blickte, so ließ nicht die Scham sie erbeben, sondern die Gewissheit, dass diese Scham viel zu gering ausfiel, um ernsthafte Reue zu zeugen.
    »Lieber Gott!«, klagte sie. »Lieber Gott, es tut mir nicht leid!«
    Akil beugte sich zu ihr, als habe er sie nicht verstanden.
    »Was meinst du?«
    Eben noch an ihren Bauch gepresst, hob sie die Reliquie hoch, um sie so weit wie möglich von sich zu halten und argwöhnisch zu mustern, dem letzten Hoffnungsschimmer verfallen, das Heiligtum möge von sich aus jenen Respekt einfordern, den aufzubringen sie alleine nicht mehr imstande war. Doch der Himmel öffnete sich nicht, keine göttliche Stimme erklang, und sie war so abgestumpft, dass es nicht einmal zur Enttäuschung darüber reichte. Da ließ sie das Bündel fallen.
    »Ich bin noch verderbter, als ich dachte!«
    »Du hast doch nicht mit Absicht ...«
    »Das ist es nicht!«, unterbrach sie ihn scharf. »Dass ich den Schatz verkaufen wollte, das war vielleicht falsch. Dass ich Davide damit erschlagen habe, das war böse. Aber es ist noch viel schlimmer ... viel schlimmer ... viel schlimmer ...«
    Sie rang mit sich, es auszusprechen. Dass es Akil war, dem sie es sagen konnte, deuchte sie kurz der größte Akt der Blasphemie, weil er doch ein Heide war, und machte es zugleich leichter, weil er ihr viel zu fern war, als dass er aufdringlich das Ausmaß ihrer Schlechtigkeit sezieren würde.
    »Es ist viel schlimmer, weil er mir nicht leidtut«, sagte sie. »Es ist viel schlimmer, weil ich mir denke, dass es Gott nur recht geschieht. Was soll ich Ihm und seinen Heiligen Ehre erbringen, wenn er mich doch in diese Lage brachte? Er hat mich nicht gerettet, er hat mich im Stich gelassen. Ist es darum nicht mein gutes Recht, mich auf seine Kosten durchzuschlagen? Du bist treuer als ich, Akil. Du betest in Stunden der Not zu deinem Gott, wiewohl er zusah, als du verschleppt und versklavt wurdest. Ich kann das nicht. Und ich denke obendrein, dass meine Sünde keine echte Sünde ist, sondern gerechte Sache, und die Wahrheit ist: Ich denke das schon lang, ob ich’s mir nun eingestanden habe oder nicht. Oh, wie sehr würde mich mein Vater für meine Gedanken und Worte und für meine Taten verachten. Und doch, es war mir vollkommen gleich, wenn er’s täte.«
    Akil hielt seinen Blick gesenkt – vielleicht aus Höflichkeit, vielleicht aus Verlegenheit.
    »Bevor ich zu Davide aufbrach, musste ich nicht lange über- legen, um eine Entscheidung zu treffen. Doch kann man es mir wirklich anrechnen, dass ich es zu Rays und Gaspares Gunsten getan habe? Mitnichten! Ich sag dir was: Irgendwie war’s mir auch eine Freude, das zu verscherbeln, was mir so lange Rückhalt war. Ich habe lang gedacht, ich lebe nur für jene Pflicht, die mir mein Vater auftrug, ich könnt’s nicht anders schaffen, stark zu bleiben. Doch nun, da jegliche Ordnung zerronnen scheint, sag ich mir: Bislang bin ich ja auch irgendwie durchgekommen.«
    Ihre Stimme wurde schwächer und müder. Immer noch starrte Akil unsicher an ihr vorbei.
    »Was sollen wir jetzt tun?«, fragte er dann, und es klang ein wenig beklommen. »Willst du ... willst du die beiden noch retten? Und wie?«
    Eine Weile blieb sie hocken, ihr Atem wurde ruhiger. Schließlich stand sie entschlossen auf.
    »Lass uns zusehen, wie wir von hier wegkommen und dass wir nach Aleria zurückkehren. Ich habe eine letzte Idee.. .doch ich weiß nicht, was sie taugt ...«
    Der Kerkermeister war froh zu reden.
    Das Angebot, das Caterina ihm machte, schien ihn nicht zu interessieren, und als Akil darauf bestand, er müsse sich entscheiden, starrte er ihn nur versonnen an, um stattdessen fortzufahren,

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