Die Tochter des Ketzers
Arbeit schafft Ordnung. Und tagelang zu rudern, ohne den Himmel zu sehen, auch das hätte ich vermocht. Aber es ist so, dass ein gemeiner Sklave wie ich am Ruder festgebunden wird, und nicht nur, dass dann und wann eine Peitsche über seinen Rücken tanzt – nein, er darf auch niemals aufstehen, um seine Notdurft zu verrichten. Du sitzt tagelang, wochenlang, monatelang in deiner eigenen Pisse und Scheiße, und weggespült wird sie erst, wenn das Schiff leckt, weil es angegriffen worden oder in einen Sturm geraten ist und du mitsamt seiner untergehst.«
Er lehnte sich empört zurück. »Nein, nein, das war kein Leben für mich! Gott sei’s gedankt, dass mir die Flucht gelang; das war, als sich andere erhoben, gegen die Behandlung protestierten, indem sie ihre Arbeit einfach niederlegten, Peitsche hin oder her. In dem Tumult ist’s mir gelungen, mich frei zu machen, doch statt für Freiheit zu kämpfen, bin ich lieber ins Meer gesprungen und dachte mir: Bist wenigstens gewaschen, wenn du’s auch nicht bis zum Ufer schaffst. Und irgendwie ist mir das doch gelungen; seitdem habe ich diese Insel nicht verlassen, und seht ihr: Die Menschen verachten meinen Beruf; einsam deucht er sie und grausam; sie wollen nichts sehen vom Elend der Welt und auch nichts vom Bösen. Mir freilich ist das alles gleich. Mich stört das Böse nicht. Hauptsache, ich habe mein eigenes Reich, das ich so sauber halten kann, wie ich will, versteht ihr?«
Caterina nickte in der Hoffnung, sich ihn dadurch geneigter zu stimmen.
»Gewiss«, sagte sie schnell, »doch eben drum! Eben weil Ihr das Hässliche verachtet, das Schöne aber liebt, müsste Euch doch mein ... Geschenk etwas wert sein. Die Freiheit von zwei Männern, die Euch nichts bedeuten und die, ich schwör’s Euch, einer üblen Verleumdung zum Opfer gefallen sind ...«
»Gemach, gemach, Mädchen!«, fiel er ihr wieder ins Wort. Schon fürchtete sie, er würde sich erneut in elendig langer Litanei ergehen, die nichts mit ihrem Anliegen zu tun hatte, doch plötzlich kniff er die Augen zusammen, maß sie und bekundete: »Das sagen sie doch alle, dass sie nicht schuldig sind. Es ist immer nur Verkettung von unglücklichen Umständen, nie die eigene Tat, nicht wahr?«
»Ich schwöre Euch, in meinem Fall ...«
»Weißt du, Mädchen ...«, er riss die Augen wieder auf, lehnte sich zurück, »weißt du ... ich meine immer: ‘s ist nicht so leicht, zwischen Recht und Unrecht zu unterscheiden. Das kann man drehen und wenden, wie man will. Aber zwischen Schmutz und Sauberkeit, da gibt es eine deutliche Grenze. Da ist ein Unterschied so klar wie Himmel und Hölle!«
Er beugte sich, Zustimmung heischend, vor.
»Gewiss«, murmelte Caterina zermürbt. »Aber es geht hier ...«
Mit raschen Worten erklärte sie, was es mit ihrem Schatz auf sich hatte, und als sie verstummte, war der Kerkermeister endlich bereit, das kleine Kästchen genauer zu mustern. Das Gold war beschlagen, nicht glänzend; einer der kostbaren Steine fehlte, und die eine Wand war etwas eingedrückt.
»Was soll ich damit?«, fragte er schließlich. »Hättest du mir Wolle oder Leinen gebracht – ich könnte mir ein neues Wams nähen, und ich brauch dringend eins, sieh an, wie schmutzig das alte ist, wie löchrig geworden, wie sehr es stinkt.«
»Du könntest ... meine Reliquie verkaufen«, schlug Caterina vorsichtig vor.
»Ha!«, lachte er auf. »Und für einen Dieb gehalten werden? Woher sollte ich sie denn haben! Nein, nein, Mädchen, sie ist nutzlos für mich.«
»Aber versteht Ihr denn nicht ...’s ist etwas Heiliges. Es ist das Vermächtnis der Julia von Korsika, welche doch die Patro- nin dieser Insel ist. Es schützt Euch vor dem Bösen, vor allem Ungemach des Lebens ... vielleicht auch vor dem Dreck.«
Kurz durchzuckten Erinnerungen ihren ausgelaugten Geist, alle Worte Lügen strafend. Sie selbst hatte das Heiligtum ihrer Famile nicht bewahren mögen – vor zerrissener Kleidung, vor blutenden Schenkeln, vor dreckigen Männern.
Immerhin ging nun ein Ruck durch Simone. Er strahlte sie wieder an, wie vorhin, als sie an seine Türe gepocht hatten, eingetreten waren und er die Möglichkeit gewittert hatte zu schwatzen.
»Es geht also um zwei Männer, ja?«, fragte er.
»Ja ... ja, so ist es. Raimon heißt der eine. Gaspare der andere. Es seien Genuesen, wurde behauptet, doch das ist nicht war. Der eine stammt aus meiner Heimat, und der andere aus ...«
»Mir fällt da was ein, Mädchen«, plapperte der
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