Die Tochter des Ketzers
und diesmal doch zumindest nicht im Dunkeln hausen musste.
Als sie sich ihm endlich zuwandte, so war denn auch sein schwarzer Blick nicht tot, sondern von Sehnsucht erweicht.
Lange rang Caterina um Worte.
»Es tut mir leid«, murmelte sie schließlich schlicht.
Gaspares bläuliche Lippen verzogen sich zu seinem freudlosen Lächeln. »Du musst das nicht sagen.«
»Er ... er steht mir einfach näher. Vielleicht, weil er mein Verwandter ist. Unsere Großväter waren Brüder.«
»Ich weiß.«
Er schien noch mehr zu wissen als das – wie in längst vergangenen Augenblicken, da Furcht und Scheu vor ihm noch überwogen hatten und er zugleich ein kaputter Spiegel war, in dessen Scherben bruchstückhaft die eigene Verlorenheit, der eigene Verlust zu schimmern schien.
»Ich habe eine Bitte«, setzte er an, trat zu der Luke, starrte hinaus. Die Sonne wurde vom nahenden Abend dottergelb gefärbt. »Ich weiß nicht, wie ich sterben werde. Ob man mich hier verrotten lässt wie Unrat oder mir einen Strick um den Hals knüpft. Aber wenn es so weit ist, so will ich nicht ... so will ich nicht ...«
Er stockte.
»Was willst du nicht?«
»Ich habe nie bei einer anderen Frau gelegen als bei meiner Mutter. Ich kenne ihren Leib, ich kann ihn bis heute spüren ... doch alle anderen Leiber sind mir fremd. Aber damit möchte ich nicht sterben – mit der Erinnerung an das Fette, Schwere, Klebrige, Feuchte, Kalte, verstehst du?«
Unwillkürlich fröstelte sie. »Was möchtest du, dass ich tue?«
»Umarme mich!«
Er sprach es kühl, mehr als Befehl denn als Bitte, so ungerührt wie in den Tagen, da sie für ihn schreiben musste.
Wieder fröstelte sie und trat dann doch beherzt auf ihn zu. Eine Weile blieben sie unschlüssig voreinander stehen, nahe genug, um des anderen Atem zu spüren, doch noch zu fern, um sich Haut an Haut zu berühren. Beide ließen die Arme hängen.
Geduldig, wiewohl zum Zerreißen angespannt, wartete Caterina darauf, dass er sie endlich an sich ziehen würde, die Umarmung einfordern. Er tat es nicht. Da stellte sie sich vorsichtig auf die Zehenspitzen, umschlang mit ihren Fingern seinen Hals und drückte ihr Gesicht an seine Brust, indessen sie sorgsam darauf bedacht war, den restlichen Leib von ihm fernzuhalten.
Er fühlte sich dünn an, sehnig und wie erwartet kalt.
Ewig schien es zu dauern, bis er sich endlich regte, auf ihre Umarmung antwortete. Er hob die Hände, ließ sie abwartend in der Luft verharren, um sie schließlich auf ihren Rücken zu senken, nicht um sie zu packen, sondern um sie vorsichtig zu streicheln. Er tat es nicht mit der ganzen Hand, sondern nur mit einzelnen Fingern.
In ihren Waden verstärkte sich ein Zittern. Vorsichtig stellte sie ihre Fersen wieder auf den Boden, was freilich das Beben nur noch verstärkte. Es stieg nach oben, nicht erregend, sondern schaudernd. Sie hoffte, er würde es nicht merken, würde nicht erkennen, wie viel Überwindung es sie kostete, an ihn gelehnt zu bleiben.
Schließlich hob er die Hände von ihrem Rücken, legte sie seitlich an ihren Kopf, zog ihn zurück, um in ihr Gesicht zu schauen. Er musterte sie ohne Verlangen, ohne echte Neugierde, eher mit verwundertem Warten darauf, ob dies etwas in ihm auslösen würde – Erinnerung an vergangenen Ekel oder Bekanntschaft mit Begierde.
Sie schloss die Augen, als sein Mund sich auf ihren senkte, rau, weich, unaufdringlich. Seine Zunge drängte sich nicht forsch zwischen ihre Lippen, er schien sie nicht kosten zu wollen. Während sich ihr Beben verstärkte, blieb sein Körper starr, war nicht bereit, sich aus der Umarmung zu lösen, jedoch auch nicht, mehr Wärme, mehr Sehnsucht daran zu verschwenden – gleich so, als warte er auf eine fremde Macht, die sie ihm näherbringen würde.
Sie dachte anfangs, dass es leicht wäre, so zu verharren, dass das Befremden, das altbekannte Grausen, das sie stets ob seiner Nähe befallen hatte, nicht echt sei. Doch gerade weil jedes Entgegenkommen seinerseits so zögerlich geschah, so vorsichtig, so ohne jegliche Lust, fühlte sie ihren Mund trocken werden, musste sie nicht nur gegen das Beben ankämpfen, sondern gegen das Verlangen, sich mit heftiger, unwirscher Bewegung von ihm zu trennen.
Wenn es doch nur ein bisschen so wäre wie mit Ray, dachte sie unwillkürlich, irgendwie leichter, irgendwie lebendiger, irgendwie lustvoller ... irgendwie selbstverständlicher.
Immer noch hielt sie die Augen geschlossen, und wiewohl ihr das anfangs seine Nähe
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