Die Tochter des Königs
tut mir leid, dass wir gekommen sind ohne die Absicht, etwas zu kaufen«, sagte sie freundlich. »Julia wollte mir unbedingt die Schönheit Eurer Geschmeide zeigen und vergaß darüber, dass es für Euch wichtig ist, sie auch zu verkaufen. Wir vergeuden Eure Zeit.«
Stutzend betrachtete der Goldschmied ihr Gesicht eingehender. Normalerweise interessierte es seine Kundinnen keinen Deut, ob sie seine Zeit vergeudeten. Er lächelte ermutigend. »Es wäre mir eine Freude, dir einige meiner Stücke zu zeigen«, sagte er zuvorkommend. »Manchmal genügt es, wenn die Arbeit von einem kundigen Auge bewundert wird, und ich glaube, du hast einen Sinn für Schönheit.« Er rief etwas über die Schulter, und ein Sklave trug ein Tablett herbei, auf dem ein Krug Granatapfelsaft stand. »Ich habe hier mehrere Stücke mit Mustern, die auf die Tradition der Gallier zurückgehen.« Der Goldschmied hatte die keltische Fibel an Eigons Umhang bemerkt sowie ihre helle Haut. Er kannte Pomponia Graecinas Vorliebe für den Schmuck, den sie in der fernen Provinz Britannien erworben hatte, als ihr Gemahl dort Statthalter gewesen war; vielleicht gehörte dieses Mädchen oder seine Eltern auch zu ihrer Sammlung fremdländischer Andenken. »Schau dir das an.« Er ging in den hinteren Teil der Werkstatt und nahm einige Stücke aus den Kästchen, die auf einem Regal standen. »Die keltischen Kunsthandwerker sind uns weit überlegen, aber ich versuche, ihnen meine Ehre zu erweisen und ihren Stil nachzuahmen.«
Auf dem kleinen Holztablett lagen Ringe und Broschen mit den typischen ineinandergewundenen Formen, die hier und da einen Tierkopf, Flügel oder elegante Gliedmaßen andeuteten. Eigon lächelte leise. »Das ist wunderschön.« Sie griff nach einem kleinen Silberring und hielt ihn vor sich.
»Steck ihn an.« Julia sah sie lachend an, dann nahm sie ein anderes Stück vom Tablett. »Nein, nimm den, der ist aus Gold und viel schöner.«
Eigon schaute zu ihrem Gastgeber und sah, dass er sie beobachtete und verständnisvoll lächelte, als sie bedauernd den Kopf schüttelte. »Er ist wunderschön.« Sie konnte das
Verlangen in ihrer Stimme nicht unterdrücken. »Aber viel zu prächtig für mich.«
»Eigon!«, rief Julia erbost. »Du bist eine Königstochter! Was könnte für dich zu prächtig sein?«
»Ach, ich glaube, jetzt weiß ich, wer du bist, junge Herrin. Die Tochter des berühmten Caratacus!« Der Handwerker nickte. »Ich war dabei an dem Tag, an dem der Kaiser deinem Vater die Freiheit geschenkt hat.«
Eigon legte den Ring zurück. »Im Grunde sind wir nach wie vor Gefangene.« Sie lächelte verzagt. Der Goldschmied hatte sie an einen Tag erinnert, den sie lieber vergessen wollte. »Mein Vater ist zu krank, um das Haus zu verlassen. Meine Mutter kann nicht von seiner Seite weichen. Und ich werde zu einer Tochter Roms erzogen. Das ist keine Freiheit.« Sie wandte sich zur Tür. »Habt Dank für Eure Gastfreundschaft, aber ich muss zurück, bevor ich vermisst werde.«
»Eigon!« Julia sah ihr zornig nach, als sie in den Eingang trat. Die drei Männer standen hastig auf. »Eigon, warte! Du hast doch noch den ganzen Nachmittag Zeit! Deine Mutter merkt es doch gar nicht, dass du weg bist!« Aber es war zu spät, Eigon ging bereits durch den Eingang auf die Straße hinaus.
Julia warf einen Blick zum Goldschmied. »Es tut mir leid, ich weiß nicht, was in sie gefahren ist.«
Er lachte. »Sie hat Stolz, Pomponia Julia. Der ist in sie gefahren. Und vielleicht hat sie gar nicht so Unrecht.« Seufzend ging er in seine Werkstatt zurück. Ihm war gerade ein Gedanke gekommen.
Während sie durch den Markt zurückgingen, nahm Julia Eigon am Arm. »Hat dir der Ring denn nicht gefallen?«
Eigon nickte. »Doch, er hat mir sehr gefallen.«
»Was ist dann?«
»Ich konnte ihn nicht bezahlen, Julia, darum geht es. Ich hätte gern ein paar seiner Sachen gekauft, liebend gern. Aber ich will dir kein Geld schulden und deiner Tante auch nicht, und dass er Verlust macht, will ich erst recht nicht. Ich brauche keinen Schmuck, ich habe genug.«
»Das stimmt nicht. Du hast eine Brosche, ein paar Reifen und einen Kinderring«, widersprach Julia aufgebracht. »Der obendrein nur noch an deinen kleinen Finger passt!« Entrüstet schrie sie auf, als ein Mann an ihr vorbeirannte und ihr dabei einen so heftigen Stoß versetzte, dass sie beinahe in die Gosse fiel. Sofort war Flavius an ihrer Seite, einige Sekunden lag sein Arm beschützend um sie, während die
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