Die Tochter des Leuchtturmmeisters
gehört. Die Frau legte das Ruder um, und der Baum kam in rasantem Tempo angesaust und traf Pelle am Kopf. Er hatte mit neun Stichen genäht werden müssen, er lag dabei auf dem Vordeck im eingeholten Segel. Die Narbe auf seiner Stirn war eine bleibende Erinnerung.
Karin schaute sich den Trubel an, aber vor allem hörte sie einem Mann zu, dessen Motor nicht anspringen wollte. Seine Frau hieß Eva, was zu dem Zeitpunkt keinem im Hafen entgangen sein konnte. Eva hatte ihn vergeblich gebeten, die Festmacherleinen vorzuholen. Der Mann hatte es strikt abgelehnt und erklärt, das Boot sei für eine Unmenge Geld im Winterlager gewesen. Demzufolge springe der Motor natürlich an. Als er es dennoch nicht tat, gab der Mann seine Meinung mit solchen Worten kund, dass eine Mutter mit zwei Kindern ihren Kaffeekorb schnappte und davoneilte. Karin grinste. Die Zausel wedelten als Kommentar mit ihren Stöcken.
»Meint ihr, er kommt von Tjörn drüben?«, sagte einer der Greise, und die anderen brachen in Lachen aus.
Auch in diesem Jahr gibt es wohl Hoffnung auf einen Sommer, dachte Karin.
Sie hatte die Nacht über unruhig geschlafen, nicht nur wegen Görans Anrufen. Da war auch ein Traum gewesen. Sie saß im Cockpit und versuchte sich zu erinnern. Langsam ließ sich in ihrem Unterbewusstsein ein roter Faden ausmachen. Immer wieder entglitt er ihr, bis sie ihn endlich zu packenwusste. Karin schloss die Augen und sah vor ihrem inneren Auge den Mann aus dem Traum mit seinem unverkennbaren Kragen. Einen Pastor.
Am Abend zuvor hatte sie den Namen Simon Nevelius in die Register eingegeben, weil sie feststellen wollte, wo er sich heute aufhielt. Zwar war die Ermittlung mit Siris Benachrichtigung beendet, aber Karin hatte den Bericht noch immer nicht geschrieben, und die Gedanken daran gingen ihr beharrlich weiter durch den Kopf. Wäre dieser Mann irgendwo in der Nähe gewesen, hätte sie vorbeigehen und mit ihm reden können, doch dem war leider nicht so. Lidköping lag nicht gerade um die Ecke, aber eigentlich sprach nichts dagegen, in ihrer Freizeit eine Fahrt mit dem Auto zu unternehmen.
Gut zwei Stunden hatte Karin von Göteborg nach Lidköping gebraucht, und die Zeit hatte genau gereicht, um Rob mit dem Fall vertraut zu machen. Er schien dünner geworden zu sein, als er jetzt mit einer Tüte Fisherman’s Friend auf dem Beifahrersitz saß, sein Enthusiasmus und seine lächelnde Miene ließen sich jedoch nicht falsch interpretieren.
»Ein Glück, dass du angerufen hast. Ich wär vor Langeweile fast gestorben, und außerdem glaube ich, dass ich Sofia auf die Nerven gehe, wenn ich die ganze Zeit zu Hause hocke. Ich soll immer mit anfassen, aber ich bin doch krank.«
Karin lächelte und legte den fünften Gang ein.
»Ja, ihr Männer seid ja gleich todkrank, wenn es euch nicht gutgeht …« Sie warf ihm einen vielsagenden Blick zu.
»Jetzt klingst du wie Sofia. Verstehst du, sie hat mir Vorlesungen über Bakterien und körpereigene Abwehrkräfte gehalten.«
Karin lachte. Typisch Sofia. Robs Frau war Naturkundelehrerin an einem Gymnasium.
»Ich kann dir nur sagen, mit diesen Bakterien, die die Kinder von der Kita nach Hause schleppen, ist nicht zu spaßen«, sagte Rob Mitleid heischend.
»Schon klar«, antwortete Karin zerstreut.
»Hörst du überhaupt zu?«
»Ja, ja, ich guck nur nach den Verkehrshinweisen«, erwiderte sie und zeigte auf die Tafel vor ihnen. »Wir müssen hier abbiegen.«
»Am schlimmsten war es an den zwei Tagen, als sowohl die Kinder und ich zu Hause waren. Wir hatten allesamt 39,5 Fieber. Ich lag völlig erschlagen da, aber die beiden saßen trotzdem bei ihrem Lego, und dann wollten sie einen Film gucken, natürlich nicht denselben.«
»Du Ärmster«, sagte Karin.
Rob, der angenommen hatte, sie würden den alten Pastor in einem Seniorenheim finden, hatte sich geirrt. Die Frau des Pastors schickte sie stattdessen weiter zur Schlosskapelle von Läckö, wo Simon Nevelius nicht weniger als zwei Trauungen vollziehen sollte.
Schloss Läckö lag weiß und schön auf Kållandsö, auf drei Seiten umgeben vom blauen Wasser des Sees Vänern. Die blaugelben Fahnen knatterten im Wind. Karin genoss die Landschaft, aber vermisste den Geruch von Salz und Tang. Der Eingang zur Anlage war mit Birkenzweigen geschmückt. Allerdings stellte sich heraus, dass die Saison im Schloss noch nicht begonnen hatte.
»Sie müssen durchs Schlosstor gehen, um zur Schlosskapelle zu gelangen«, erklärte die festlich
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