Die Tochter des Magiers 01 - Die Diebin
seltsam, denn er ist nicht hier«, erwiderte der Krieger mit einem Gähnen.
»Und wo kann ich ihn finden, edler Krieger?«, hakte Tasil nach, während er dem Mann das Siegel des Malk unter die Nase hielt.
Der Speerträger nahm Haltung an. »Er ist in den unteren Stockwerken des Bet Raik. Ich nehme an, bei den Küchen oder in den Werkstätten, Herr.«
»Und wie finde ich die?«
»Ich werde einen Sklaven rufen, der dich hinführt, Herr.«
Kurz darauf hetzte Maru wieder Tasil durch weitere Flure hinterher. Vorneweg eilte ein Sklave, der sich an jeder Wegkreuzung umdrehte, verbeugte und mit unterwürfiger Geste die Richtung wies. Sie erreichten eine breite Treppe, die in das erste der unteren Stockwerke führte.
Nur wenige Öllampen spendeten etwas Licht. Marus Augen brauchten Zeit, um sich an die dort herrschende Dunkelheit zu gewöhnen. Es roch nach Brot und gekochtem Gemüse. Der Sklave führte sie in eine Halle, die kaum kleiner war als der Thronsaal, allerdings viel niedriger. Sie hatte schmale Fensteröffnungen an zwei Seiten, durch die etwas Tageslicht hineinsickerte. Dampf und Rauch erfüllten den Raum. Dutzende von Menschen waren damit beschäftigt, Mahlzeiten zuzubereiten. Es gab Öfen, in denen Brot gebacken wurde, große Kessel und riesige Pfannen. Über einem offenen Feuer briet ein Lamm. Es war heiß und stickig. Maru sah eine stämmige Frau an einem der Kessel stehen und rühren.
Das wäre mein Platz gewesen, dachte sie plötzlich. Die Erkenntnis traf sie wie ein Blitz. Atib hatte über seine Sklaven gesagt, sie seien für die Tempel oder für die Küche des Bet Raik bestimmt. Als Mädchen hätte sie wenig Aussicht auf den Dienst in den Tempeln gehabt. Natürlich, auch Priester mussten essen, aber wahrscheinlich wäre sie hier gelandet, im Bauch des Palastes. Sie hätte Holz gesammelt, Braten gewendet, Brot gebacken und vielleicht irgendwann einmal im Schweiße ihres Angesichts an diesem Kessel dort gestanden. Sie hätte dort gestanden, bis sie alt geworden wäre. Und beim Tod des Raik wäre sie im Opferfeuer des Letzten Hauses verbrannt worden.
Der Aufseher der Küche riss sie aus ihren Gedanken. Bei ihm handelte es sich um ein hageres Männchen, das nicht so aussah, als wüsste es gutes Essen zu schätzen. Er wollte sie zunächst aus der Küche jagen, wurde aber viel umgänglicher, als Tasil ihm das Siegel des Malk unter die Nase hielt. Leider hatte er Numur nicht gesehen. Der Malk halte sich aber gern in den Werkstätten auf, vielleicht wolle der edle Fremde dort sein Glück versuchen? Aber auch in den Werkstätten war Numur nicht zu finden, ebenso wenig in der Brauerei oder bei den Mühlen. Im Palast gab es einfach alles. Es war wie in einer eigenständigen Stadt. Maru wurde allmählich müde. Ihre Füße schmerzten. Der Sklave führte sie kreuz und quer, treppauf und treppab. Dieser Palast schien innen noch viel größer zu sein als außen.
Sie drangen immer tiefer in die Eingeweide des Bet Raik vor. Das oberste Stockwerk mit den Höfen, der Hohen Kammer und dem Wohnbereich des Raik war großzügig, prachtvoll und hell. Doch hier unten war alles anders. Die Stockwerke waren bedrückend niedrig, die Gänge eng und schlecht beleuchtet, die Decken rußgeschwärzt von den offenen Öllampen. Die wenigen Fensteröffnungen waren schmal und ohnehin fast nutzlos, da die Ringmauer, die den Tempelberg umgab, kaum jemals zuließ, dass
die Sonne hereinschien. Beeindruckend waren allein die mächtigen Säulen, die sich zwischen den langen Ziegelmauern zeigten. Je weiter sie nach unten kamen, desto stärker wurden sie. Im Getreidelager, es lag drei Stockwerke unter dem obersten, sah Maru eine Säule, die sechs Männer nicht hätten umfassen können.
Der Verwalter dieses Lagers schickte sie schließlich zu den »neuen Schmieden« im untersten Stockwerk des Palastes. Als der Sklave das hörte, wurde er nervös, ohne jedoch einen Grund dafür zu nennen. Schweigend führte er sie erneut durch endlose Flure. Maru hatte längst die Orientierung verloren. Der Sklave führte sie an eine schmale Treppe, die schlecht beleuchtet war und sich nach einigen Stufen in der Dunkelheit verlor.
»Die neuen Schmieden liegen dort unten, Herr, doch mir ist es verboten, sie zu betreten. Ich werde hier auf dich und deine Nichte warten.«
»Soll ich mir den Hals brechen? Dort unten ist es stockfinster! Gibt es keine Fackeln?«
»Sie liegen dort, Herr.« Der Sklave wies auf eine Nische in der Wand.
Tasil brummte missmutig,
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