Die Tochter des Magiers 02 - Die Gefährtin
hatten die Baumeister des Alldhans in bemerkenswerter Geschwindigkeit ein hohes Gerüst aus dem schlanken und leichten Holz des Wasserbaums errichtet und mit Schilf abgedeckt. Die sechs Ochsen wurden ausgespannt und der Wagen von vielen Männern unter großer Anstrengung gewendet und rückwärts unter dieses Dach geschoben. Als er stand, sicherten die Priester die Räder mit starken Blöcken, bevor die Seile, die die Verhüllung trugen, gelockert wurden.
Numur war nirgends zu sehen, wie Maru verwundert feststellte. Sie stand mit den Söldnern weit zurückgezogen unter einer Hütte. Sie musste sich recken, um zu sehen, was vor sich ging. Abeq Mahas übernahm die Enthüllung der Figur. Er trat nach vorne, ließ den Blick seines einen Auges lang über die Menge schweifen, dann hob er die Arme und verharrte so für eine Weile. Es war, als wolle er für Ruhe und Aufmerksamkeit sorgen, aber beides war nicht nötig. Die Priester sangen nicht mehr, und die Dorfbewohner hatten den neuen Gott mit tiefem Schweigen begrüßt. Mahas senkte die Arme wieder und entzündete in einer schnell herbeigeschafften Kupferschale ein Opferfeuer. Das Öl flammte auf, und Regentropfen vergingen zischend in der Flamme. Der Priester erhob seine Arme erneut, dann rief er: »Seht das Bildnis Utu-Hegaschs, einst Raik der Stadt Serkesch. Zu den Toten ist er gegangen, und wir Narren weinten, denn wir dachten, es sei zu früh für Utu, den geliebten Raik. Wir erkannten nicht die hohe Absicht, die Strydh und Uo verfolgten, als sie ihn an ihre Seite riefen. Wohl vermuteten wir ihn unter den Ahngöttern, die unsere Stadt beschirmten, aber wir erkannten nicht, dass es ihm bestimmt war, zu den hohen Göttern aufzusteigen. Dann aber brannte seine Stadt, und Utu erhob sich aus dem Grab, und mit ihm kam das Wasser – das Wasser, mit dem das Feuer unserer Feinde gelöscht wurde. Nun folgen wir ihm, wohin er uns auch führt, denn er geleitet uns von Sieg zu Sieg. Vor seinem strahlenden Angesicht gehen seine Feinde zu Grunde. Seht nun seine Erhabenheit, Krieger des Alldhans und Menschen dieses Dorfes.«
Er gab ein Handzeichen, und die Priester enthüllten die Statue. Ein Raunen lief durch die Menge. Auch Maru war beeindruckt. Die Statue war nicht aus Ton oder Stein, sondern vollständig aus Bronze gefertigt.
»Wir grüßen Gott Utu!«, riefen die Krieger und gingen in die Knie. Die Dorfbewohner folgten ihnen zögernd.
Maru stand im Schatten einer Hütte und sah mit offenem Mund zu. Es war Tasil, der unauffällig dafür gesorgt hatte, dass sich ihre Gruppe langsam aus der Menge zurückzog. So waren sie nicht im Blickfeld der Priester. Dennoch knieten Arbi, Ulat und Bolox nieder, während Tasil ebenso ungerührt stehen blieb wie Meniotaibor und Vylkas. Auch Maru dachte gar nicht daran, sich vor dieser Statue in den Schlamm zu werfen. Sie wusste, dass es nicht Utu war, der Serkesch gerettet hatte. Ein Daimon war es gewesen, ein Wesen mit dunklen Absichten. Und er hatte es getan, um ihr Leben zu retten. Im Grunde genommen, so dachte Maru für einen winzigen Augenblick, hätten die Menschen ebenso gut sie verehren können. Dann schüttelte sie den Kopf über sich selbst. Vielleicht wurde Utu hier zu viel Ehre zuteil, aber er war immerhin ein Ahngott. Es war sicher Sünde, über ihn oder seine Anhänger zu spotten. Auf jeden Fall war das Standbild beeindruckend. Es war viel größer als jenes, das im Ahntempel von Serkesch stand. Die Statue zeigte einen würdigen Mann mit gelocktem Bart, leicht geöffnetem Mund und ernstem Blick. In der Rechten hielt er ein großes, eisernes Schwert, in der Linken eine Weizengarbe. Das Bemerkenswerteste waren seine hell leuchtenden Augen, die die schimmernde Bronze noch überstrahlten. Sie waren groß, aus Silber und Bernstein und damit unvorstellbar kostbar.
Meniotaibor schien von einer besonderen Art Ehrfurcht ergriffen: »Ich habe schon viele Städte geplündert«, raunte er, »aber so etwas habe ich noch nie gesehen. Ich wusste gar nicht, dass es auf der Welt so viel Bernstein gibt.«
»Es ist fürwahr erstaunlich«, flüsterte Tasil, »offenbar war den Schmieden von Serkesch für diesen Gott das Beste gerade gut genug.«
»Glaubst du, wir werden im Tempel etwas Wertvolleres finden als die Augen dieses Gottes?«, fragte Meniotaibor leise.
»Kaum, aber es wird weniger gut bewacht sein«, erwiderte Tasil. Auch ihm hörte Maru an, dass er beeindruckt war.
»Es sei denn, die Zermalmerin liegt wirklich auf dem Schatz, wie
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